Theresia Walser

Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik:
Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie: Ingoh Brux

Uraufführung
am 12. Januar 2013

Schauspielhaus, Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Frau Imelda: Anke Schubert
Frau Leila: Sabine Fürst
Frau Margot: Ragna Pitoll
Gottfried: Sven Prietz

 

 


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Keinen Papagei für Margot Honecker!
Diktatorengattinnen sind vor allem als Zickenkriegerinnen in Höchstform: Die amüsante Uraufführung von Theresia Walsers neuem Stück „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ in Mannheim.
Die drei Damen – der barocke Drachen Imelda Marcos, die streng sozialistische Betschwester Margot Honecker und das Modepüppchen Leila (Ben Ali, Mubarak oder auch Assad) – haben schon bessere Zeiten gesehen. Damals, als sie nicht mit Kaffee aus der Kantinenthermoskanne vorliebnehmen mussten, lag die Welt ihnen noch zu Füßen; das Volk jubelte ihnen zu, und selbst lupenreine Demokraten machten ihnen die Honneurs.
Imelda bekam von Mao ein Gedicht mit Handkuss verehrt und wurde von Castro persönlich durch Kuba chauffiert. Frau Margot spürte bei Stalins Siebzigstem den heißen Atem der Weltrevolution und erstmals Erichs verliebte Arbeiterfaust; Madame Leila wurde auf Illustriertentiteln als schönstes Gesicht des arabischen Winters gefeiert. Jetzt sitzen sie in abgewetzten Ledersesseln vor einem Vorhand, der die aufgehen wird, und hadern mit einem Schicksal, das ihr Männer vor lächerliche Internationale Gerichtshöfe zerrte und ihnen alles nahm: Paläste, Gatten, Heimat, den Platz in der Geschichte. Nur ihren Stolz und ihr Lästermaul nicht.
Margot, im Nationaltheater Mannheim bei Ragna Pitoll eine Hardcore-Stalinistin mit kleinbürgerlich-deutschem Wurstgeschmack und divenhaften Allüren, ist die Härteste des Trio infernal. Für die Heulsusen, die über die Mauer kletterten, obwohl sie wussten, was sie erwartete, hat sie nur Hohn, für ihre dekadenten Leidensgenossinnen nur Verachtung übrig. Natürlich vermisst sie die Pilze und Wäder von Wandlitz, aber Sentimentalität oder renegatenhafte Reue sind ihr fremd.
Anke Schuberts walkürenhaft wogende Imelda kann den Verlust ihrer 1766 Handtaschen, dreitausend Paar Schuhe und ihres Ferdi verschmerzen, aber dass die Welt keine Schönheit mehr achtet, bricht ihr das eiserne Herz und lässt Gift und Galle überlaufen.
Vor fünf Jahren machte René Pollesch an der Berliner Volksbühne in seinem Stück „Diktatorengattinnen“ eine dreifaltige Alena Ceausescu zur Heldin einer Diskursposse. Theresia Walser lässt jetzt in Mannheim drei stutenbissige Diktatorengattinnen nicht ganz so anarchisch, aber deutlich vergnügter und mindestens ebenso theatralisch reflektiert und medial vermittelt aufeinander los.
Wieder einmal benutzt Walser die Talkshow, genauer: das Vorbereitungspalaver hinter den Kulissen, als Form, um die Banalität des Bösen zur absurden Groteske zu verfremden. In der Probe vor dem Ernstfall lockern sich Zungen und Klischees, sitzen die Rollen, Kostüme und Betonfrisuren der Staatsschauspieler noch nicht ganz fest. In „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ stritten sich zwei Hitler- und ein Goebbels-Darsteller kurz vor ihrem großen Auftritt darum, ob hemmungslose Schmiere oder historisch-kritische Bruno-Ganz-Authentizität die bessere Monster-Mimikry gewährleiste; so ging es nicht mehr nur um den Hitler-Kult, sondern um die Darstellung des Bösen auf der Bühne überhaupt. In Walsers Kriegsgroteske „Eine Stille für Frau Schirakesch“ diskutierten zuletzt Schönheitsköniginnen hinter den Talkshow-Kulissen über Bikini, Burka und das Menschenrecht auf narzisstische Selbstdarstellung in Afghanistan. Wenn sich jetzt in „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ (ein Zitat aus einem Gaddafi-Gedicht) drei abgehalfterte Diktatorenmatronen vor einer Pressekonferenz treffen, ist das Setting nicht gerade neu, aber der Zickenkrieg herrlicher denn je.
Imelda kann sich ihren Lebensfilm nur als große Oper vorstellen, Leila nur als Hollywood-Melodram mit Nicole Kidman. Margot hält sich für undarstellbar. Sie steht hier nicht als Frau oder gar Anhängsel eines Mannes, sondern als „Idee“, von Pharisäern gekreuzigt und durch ein alttestamentarisches Bilderverbot geheiligt: „Schauspieler machen und nicht besser.“ Das deckt sich ganz mit Walsers Vorstellung von einer Diktatorenfarce: Es geht nicht um dokumentarisches Wiedererkennen oder gar politisch-moralische Urteile, sondern um eine Komödie der Eitelkeiten: Theater pur, Schauspielerfutter vom Feinsten.
Die drei Ladies Macbeth sind keine Hexen, aber ein kleines, rachsüchtiges Foul hie und da ist nur fair. Die Hyäninnen schenken sich nicht; aber wenn es gegen den Übersetzer geht, der ihr Geplapper abwechselnd zuspitzt und verbindlich schönredet, hält das Trio zusammen. Dolmetscher, höhnt Margot, „spielen keine Rolle, und das mittendrin. Nullen im Rampenlicht. Nichtse der Weltgeschichte.“ Sven Prietz macht aus diesem Nichts eine Glanznummer: Höflich beflissen bügelt sein Gottfried das Gechwätz glatt, denkt Ungeheuerlichkeiten simultan weiter („Ein guter Dolmetscher ist immer einen Satz voraus“) und sorgt so für Missverständnisse, Verwirrung und kollektive weibliche Empörung. Der Plapperpapagei hat als ehemaliges „Würstchen aus Jena“ auch eine eigene Geschichte und Stimme, aber auch ohne sie wäre der devote, vertrottelte Knecht der eigentliche Herr und heimliche Spielleiter des Abends.
(FAZ, 16.01.2013)

Zickenkrieg im Kreuzfeuer des Witzes
Mit „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ bestätigt Theresia Walser bei der Mannheimer Uraufführung ihren Sinn für Pointen und Absurdes
Nicht nur im Anfang, auch im Ende war das Wort, und das Wort war gut und lauerte und fragte aus Gottfrieds Mund: "Frau Margot?" Um sie geht es also. Margot Honecker. Ihr Problem: "Ich bin noch nie in meinem Leben von links nach rechts gegangen." Leila hingegen, Frau des tunesischen Ex-Despoten Ben Ali, will wissen: "Müssen wir winken?", worauf die Dritte im Bunde der Bösen, diese Imelda mit den vielen Schuhen von den Philippinen, ziemlich zurecht feststellt: "Wo kein Volk ist, muss auch nicht gewunken werden."
Aber wo ein Anfang ist und ein Ende, da muss es auch ein Dazwischen geben, und in ihm funkeln am Nationaltheater 90 Minuten Schlagfertigkeit, grausam komische Ausgeflipptheit, Katastrophen und Unbelehrbarkeiten. Jeder Satz ein zynisches Zitat von Niedertracht, das man festhalten möchte - und doch nicht kann, weil das Pointenfeuerwerk unweigerlich weiter feuert und ploppt. Ein Text wie ein langer, spritziger Witz (fast) ohne Längen.
Ein irrsinnig heiterer Abend, teils mit schallendem Gelächter, das einem selten auch mal im Halse steckenbleibt.
Der Text macht es Regisseur und Schauspieldirektor Kosminski einfach. Der hält sich zurück und konzentriert.
Viel Beifall.
(Mannheimer Morgen, 14.01.2013)

Freiheit geht vorüber
Drei Frauen träumen von vergangener Macht und verfluchen den Ruf nach Freiheit: In ihrer schwarzen Komödie „Ich bin wie ihr“ lässt Theresia Walser die Gattinnen dreier Diktatoren aufeinandertreffen. Die Mannheimer Uraufführung ist ein Vergnügen.
Das ist eine pointierte, mit viel schwarzem Humor ausgestattete Angelegenheit. Richtig komisch aber wird sie erst durch den Auftritt des Dolmetschers.
Erst plappert er wie ein treuer Papagei den Sätzen hinterher, dann nimmt er bei seinen Übersetzungen Rücksicht auf die diversen Empfindlichkeiten, schließlich erfindet er die Wirklichkeit in den Dialogen neu. Sven Prietz lässt ihn eilfertig herumwuseln und dabei vom Gehilfen zum Spielmacher wachsen: Der Mann hat ja auch ein ganz besonderes Interesse an Frau Margot, denn er ist in Jena aufgewachsen und hat unter seinem Land leiden müssen.
Jetzt könnte das etwas vordergründige Lehrstück kommen, aber die Regie des Schauspieldirektors Burkhard C. Kosminski umschifft diese Klippe mit sicherer Hand: Er beschädigt den leichten Witz nicht und dosiert das Tempo geschickt bis zum Knalleffekt, der diese knapp neunzig Minuten intelligenter Unterhaltung beschließt.
(Darmstädter Echo, 18.01.2013)

Entmachtete Matronen
Mannheim, 12. Januar 2013. Die eiskalte Schönheit der Macht untersucht Theresia Walser in ihrem neuen Stück "Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel". Auf blutroten Ledersesseln warten drei Diktatorengattinnen auf eine Pressekonferenz. Vor 100 Journalisten soll enthüllt werden, wann und wie ihr Leben verfilmt wird. Aus dieser Situation entwickelt Walser einen sprachlich starken, dialogbetonten Zickenkrieg mit komischen Untertönen, die Schauspielchef Burkhard C. Kosminski bei seiner Uraufführung am Nationaltheater Mannheim mit Nachdruck zum Klingen bringt.
(nachtkritik.de, 14.01.2013)

Politische Schauerballade
„Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ heißt das neue Stück von Theresia Walser. Geschrieben hat sie es im Auftrag des Mannheimer Nationaltheaters. Ein komödiantischer, facettenreicher Text, den Burkhard C. Kosminski rasch und geschickt in die Gänge bringt.
(Stuttgarter Zeitung, 15.01.2013)

Zu Gast bei drei schrecklichen Schabracken der Macht
Zum Schreiben ihrer Dialoge muss die 1967 geborene Dramatikerin ihren Füllfederhalter mit einer hübschen Portion Gift und Häme betankt haben – vorausgesetzt natürlich, sie verfügt noch über solche ein Gerät und hat nicht schon längst elektronisch aufgerüstet. Ihre Sticheleien sitzen, so dass bei der bereits fünften Theresia-Walser-Uraufführung am Nationaltheater Mannheim eine Pointe auf die andere folgt. Auch diesmal wieder hat Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski die Regie übernommen, und für das Bühnenbild sorgte abermals Florian Etti. Ein eingespieltes Team, das Theresia Walsers Text und dem komödiantisch versierten Quartett auf der Bühne vortrefflich dient.
Nach 90 Minuten ist alles vorbei, und alle Beteiligten können für sich Pluspunkte verbuchen: die Autorin, der Regisseur, der Bühnenbilder und die Darsteller.
(Rhein-Neckar-Zeitung, 14.01.2013)

Erichs Asche auf dem Bühnenboden
„Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ ist ein durchgängiger Spaß; schusssichere BHs werden ebenso abgehandelt wie zuletzt die Urne mit Erichs Asche erwartungsgemäß zerschellt (vom „Brandrückstand“ eines „kommunistischen Staatstrottels“ spricht da Imelda). Es gibt den platten Witz, den richtig lustigen Witz, ab und zu den bitterbösen Witz.
(Frankfurter Rundschau, 15.01.2013)

Das Nationaltheater Mannheim wird für „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ in Pforzheim gefeiert
So darf, soll und muss Theater sein: komödiantisch und doch ernst, hintersinnig und leicht, bitterböse und doch den Kern eines Themas schlaglichtartig und mit der nötigen Tiefe beleuchtend.
Das Stück „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ von Theresia Walser wird diesem Anspruch vollauf gerecht.
Regisseur Burkhard C. Kosminski hat diese Vorlage für das Nationaltheater Mannheim umgesetzt und den Witz und die Leichtigkeit brillant in ein wunderbares Spiel transformiert.
Das Spiel um politische Macht und Reichtümer, um Eitelkeiten und politische Visionen, um Wahrnehmung und Selbstreflexion ist fraglos ein Meisterstück Walsers, die die Rollen den Darstellern regelrecht auf den Leib geschrieben hat. Schließlich arbeitet sie schon länger mit dem Nationaltheater zusammen.
Am Ende langanhaltender Beifall.
(Pforzheimer Zeitung, 17.06.2013)

Honeckers Asche
In ihrer fünften Auftragsarbeit fürs Nationaltheater erweist sich Theresia Walser stattdessen wieder als dialogsichere Komödienschreiberin, bei der das Böse hinter dem Vodergründigen lauert und kritische Aufklärung durch die Hintertür des Komischen zu uns gelangt. Das Stück ist also zu allererst das Psychogramm drier despotischer Diven, die mit geradezu pathologischer Renitenz auf ihren skuririlen Welterklärungsmodellen beharren.
Das taugt auch deshalb so schön zur pointenreichen Komödie, weil jede die Lebenslügen-Arrangements der anderen scharfsinnig zerzaust, an den eigenen Irrtümern aber mit kindlicher Sturheit festhält. So träumt sich Imelda in ein von jeglichem Wirklichkeitsschmutz befreites Opferdasein. Leila möchte ein umjubelter Medienstar sein und von Menschenrechtstribunalen unbehelligt. Und Margot rechnet 40 Jahre DDR-Experiment gegen das Unrecht der gesamten Weltgeschichte auf und glaubt an ideologische Rehabilitierung ihres Gatten, den sie vorsorglich in eingeäschertem Zustand bei sich trägt.
Dass all dies in Mannheim auf der Bühne gut funktioniert, ist neben Kosminskis auf Tempo und beiläufige Komik setzende Inszenierung drei Darstellerinnen zu danken, denen die Rollen sozusagen auf den Leib geschrieben wurden. Sabine Fürst stöckelt Frau Leila als arrogantes Dummchen aus tausendundeiner Nacht auf die Bühne, Anke Schubert gibt die abgebrühte Veteranin des autoritären Zeitalters, und Ragna Pitoll, wohl am weitesten weg von der historischen Vorlage, macht aus der graudumpfen Honecker-Gattin eine geistesblitzende, wenn auch zunehmend autistische Kriegerin der verlorenen Ideologie.
Und dann ist da noch Gottfried, Dolmetscher und Damendompteur, der das Trio ins Gespräch bringen und bei guter Laune halten soll, bis die Pressekonferenz beginnt. Sven Prietz macht dies mit leicht aufgesetzter Aufopferungsbereitschaft, wird dabei immer mehr zum semantischen Amokläufer, der dem aus dem Ruder laufenden Smalltalk seine eigene Wendung gibt. Dass man Walsers Bühnenkunstgriff hinnimmt und einfach mal glaubt, dass die Damen sich nicht verstehen, obwohl ja alle ordentliches Deutsch reden, ist ebenfalls dem hinterhältigen Charme des zwischen Damen-Allüren und Übersetzungsfeinheiten hin und her wuselnden Gottfried zu verdanken. Der setzt am Ende auch noch Servierwagen durch schiere Willenskraft in Bewegung und zerdeppert natürlich Honeckers Urne.
(Die Rheinpfalz, 14.01.2013)

Theresia Walsers Groteske „Ich bin wie ihr“ in Mannheim
In Mannheim ist ein köstlicher Anderthalb-Stunden-Ulk zu sehen, an dessen Ende die Protagonistinnen zwar unbelehrt sind, der Rest der Welt aber einige der schönsten Vergnügungen erlebt hat, die das Theater zu bieten hat – bis hin zur Schadenfreude. Doch selbst das geht in diesem Fall rundum in Ordnung.
(Allgemeine Zeitung Mainz, 17.01.2013)

Theresia Walsers Realsatire in Mannheim
Ihr Stück über das Leben der drei Diktaturen-Frauen Margot (Honecker), Imelda (Marcos) und Leila (Trabelsi) strapazierte die Lachmuskeln des Publikums während der 90-minütigen Aufführung ununterbrochen.
(dpa, 13.01.2013)

Die Unbelehrbaren
Einen gemeinen, bösartigen, hintergründigen Spaß hat sich Theresia Walser erlaubt – auch mit dem Publikum. Das Lachen ist des Schrecklichen Bannung. Aber es schafft es keineswegs aus der Welt.
(Badische Zeitung, 14.01.2013)