Szenen und Songs zur FIFA Fußball-
Weltmeisterschaft 2006

Brot und Spiele

Von: Herbert Achternbusch, David Gieselmann, Fritz Kater, Rebekka Kricheldorf, Franz Xaver Kroetz, Marius von Mayenburg, Albert Ostermaier, Moritz Rinke, Roland Schimmelpfennig und Feridun Zaimoglu

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Musik: Tom Oswald
Dramaturgie: Ingoh Brux

Uraufführung am 29. 4. 2006 im
Düsseldorfer Schauspielhaus
(Offizieller Beitrag des Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung
zur FIFA WM 2006 in Zusammenarbeit mit dem OK FIFA WM 2006)

Besetzung:
Constanze Becker, Esther Hausmann, Götz Argus
Tim Egloff, Michael Fuchs, Heinz Kloss
Thomas Meinhardt, Martin Schneider, Dieter Prochnow

 


Pressestimmen:

Jens, Olli und die kurvenreiche Ronalda
Deutschlands Theaterautoren sind fit für die WM: „Brot und Spiele“ am Schauspielhaus Düsseldorf
Was Burkhard C. Kosminski da in Düsseldorf kurz vor der WM an Autoren gewinnen konnte, ist vom Feinsten. Immerhin erhielt er Texte von Fritz Kater, Moritz Rinke, Rebekka Kricheldorf, Roland Schimmelpfennig, Feridun Zaimoglu, Herbert Achternbusch und Franz Xaver Kroetz. Am Wochenende war die Uraufführung des bislang aufwändigsten Theaterereignisses zur Fußball-WM. Es war zugleich die Abschiedsvorstellung Kosminskis in Düsseldorf, der als Schauspielchef nach Mannheim wechselt.
Wie Düsseldorfs leitender Regisseur es geschafft hat, neben den zwei Altmeistern des deutschen Theaters eine Top-Elf der derzeit die Theater bespielenden Autoren auf dem Bühnenrasen auflaufen zu lassen, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Die Liste der Autoren hat allerdings auch insofern ihren Reiz, als Kosminski ja als Cheftrainer des Schauspiels nach Mannheim wechselt und die meisten dort als Hausautoren schon Fitness-Tests absolvierten. Das übergreifende Thema des Düsseldorfer WM-Projektes, „Brot und Spiele“, sollte man nicht nur als Replik auf das alte Rom, sondern insofern ganz wörtlich verstehen, als es bei der WM auch um eine Vielzahl temporärer „Brotjobs“ geht – wie etwa bei den Vertreterinnen des nicht immer vertikalen Gewerbes, die in „Verrichtungsboxen“ den Ansturm frustrierter Fans erwarten werden.
Rebekka Kricheldorf widmet sich in „Liebesdienst“ dem Gewerbe. Dummerweise ist jedoch nicht zu übersehen, dass ihr Text weder zu den ledernen, noch zu Silikon gepolsterten Rundungen bemerkenswertes beisteuert. Kosminski entschied sich zwar, vier Schauspieler als gewerbliche Damen in kurze Pelzmäntelchen über High
Heels zu stecken. Das sieht allerliebst aus, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einzig weibliche Autorin in der Männerdomäne sich nicht als Joker entpuppte – ganz im Gegensatz zu Albert Ostermaier, der in „Eins mit der Eins“ ein raffiniertes Spiel mit einer Frage treibt, die vor allem Spitzenkeeper beschäftigt.
Es geht um die richtige Dosis von Spannung und Entspannung. Und es geht um die Frage „Olli oder Jens?“, die Ostermaier parallel zu Klinsmann wälzte und die jetzt zur Uraufführung weiterhin brisant gewesen wäre, hätte der schwäbische Kalifornier die Entscheidung nicht doch vorgezogen. Das Spannende an Ostermaiers Text ist, dass man bis zum Schluss nicht weiß, wer unter der Olli-Maske steckt und wer bei der kurvenreichen Ronalda Entspannung sucht. Dann allerdings soll der Jens die Kahnmaske wieder zurückgeben und es ist interessant, dass Ostermaiers Spiel mit dem übermotivierten Keeper funktioniert, egal für wen Klinsi sich nun entschieden hat.
Burkhard C. Kosminski stand vor der Entscheidung, die „Brot und Spiele“ -Texte entweder als mehr oder weniger erratische Einzelereignisse oder Glieder einer Revue-Kette zu inszenieren. Er entschied sich für die parodierende Revue und erzielte unterschiedliche Ergebnisse. Kroetz etwa sollte nach dem, was er da ablieferte, den Laptop vorerst versiegeln, während Achternbusch eine seltsam anrührende Todesfuge beisteuerte. Moritz Rinkes „Gott, der Kaiser und der Depp“ dagegen funktioniert in Kosminskis inszenatorischem Rahmen hervorragend. Constanze Becker ist eine wunderbar staubtrockene Begleitung von Martin Schneider, der einen nach der EM größenwahnsinnigen Rehhagel, selbstgefälligen Kaiser und sprachlich dilettierenden Matthäus spielt. Schauspielerisch ist die Trainerfindung nach der Völler-Demission ein Höhepunkt des Abends, während Tom Oswald & Co. Für den musikalischen Kitt im Revuereigen und Düsseldorfs Opernchor dem Gefangenenchor aus „Nabucco“ für die notwendige rituelle Grundierung des Massenphänomens sorgt.
Textlich überraschend ist vor allem Marius zu Mayenburg, dem mit der Beckett-Paraphrase „Letzter Mann“ einer der besten Texte der letzten Zeit gelungen ist. Mayenburg schickt Rolf, Werner und Thomas zum Aufwärmen auf die Bank. Da sitzen die alten Herren und warten auf Heinz, der dummerweise nicht nur an Godot erinnert, sondern auch den Ball hat. Wer das schon einmal erlebt hat, weiß, dass es die schlimmstmögliche Wendung für adrenalisierte Kicker ist. Alleine schon wegen solch eines Textes und der Realisierung durch Heinz Kloss, Thomas Meinhardt und Dieter Prochnow ist dem Düsseldorfer Schauspielhaus der Einzug ins Achtelfinale gelungen.

Die Rheinpfalz

 

„Brot und Spiele“ in Düsseldorf uraufgeführt

Mit freundlichem Applaus hat das Publikum am Samstagabend in Großen Haus des Düsseldorfer Schauspiels die Uraufführung von „Brot und Spiele“ begrüßt. Das Düsseldorfer Schauspiel hatte zehn deutschsprachige Dramatiker gebeten,  zum Thema Fußball Szenen zu ersinnen.
Zwar stellten die Szenen einen „offiziellen Beitrag des Kunst- und Kulturprogramms der FIFA WM 2006“ dar, doch ließen sich die Theaterleute von diesem Großspektakel nicht einbinden sondern nutzten ihre künstlerische Freiheit. Regisseur Burkhard C. Kosminski hat zwölf Texte ausgewählt und zusammengestellt.
Die erste Szene ist programmatisch, stammt von Feridun Zaimoglu und behandelt sein Lieblingsthema – die Beziehung zwischen Deutschen und Türken. Der Titel „Freundschaftsspiel“ enthält viel Sarkasmus: Zaimoglu nimmt dabei das WM-Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ aufs Korn: Er zeigt Gegensätze auf, beschreibt blanken Hass. So wollen Fußballhelden bei einer Pressekonferenz nach besagtem „Freundschaftsspiel“ übereinander herfallen.

Die satirische Übertreibung beleuchtet aber auch die andere Seite der Medaille: wenn der Gegensatz der Nationen so leidenschaftlich entbrennt, hat der Fußball demnach eine wunderbare Funktion: er lenkt die zerstörerischen Kräfte in geregelte, spielerische Bahnen. Statt mit Gewalt Konflikte auszutragen, wird Ball gespielt. Hier gewinnt der Fußball seine Aura als Friedensstifter.
Marius von Mayenburg beschreibt das Absurde des Fußballs in einer absurden Welt, Moritz Rinke stellt in einer der erheiterndsten Szenen die Eitelkeit einiger „Fußballgötter“ bloß. Alle Dramatiker machen sich lustig über die Intelligenz der Fußballer, die sie eher für begrenzt halten, seien es nun Spieler oder Vereinsvertreter. Der Dramatiker David Gieselmann zieht in seiner Szene eine Parallele zwischen dem Fußball und der Bürowelt – Mobbing gibt es demnach in beiden Sphären.
Das Ensemble, von einem Chor verstärkt, zeigt Einsatz und Spielfreude. Es ergab sich ein die zwölf Szenen überwölbender Bogen: „Brot und Spiele“ erwies sich als treffender Titel – er erinnert an eine Maxime einflussreicher Kreise im Alten Rom, die sich bemühten, mit Brot und Spielen die Macht der Massen in Grenzen zu halten. Sehr viel, legt die Düsseldorfer Uraufführung nahe, hat sich heute bei uns nicht geändert.

dpa

 

„…Die Regie von Burkhard C. Kosminski donnert die Manndeckerinnen zu tuntigen Transvestiten in Pelzmänteln und Goldstiefeln auf und lässt auch sonst im Bühnenbild von Florian Etti, mit Chor, Combo  und Cheerleaders, Perücken und Körperpolstern, Tribüne und fliegendem Trikotwechsel, Gassenhauer und Beckenbauer, keine kabarettistische Standartsituation aus. …“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

„…Ein deutsches Stimmungsbild will Regisseur Burkhard C. Kosminski zum Abschluss der zehnjährigen Intendanz Anna Badoras zeigen. … Herausgekommen sind zehn völlig unterschiedliche Dramolette – von der Kabarettszene über die Beckettepisode bis fast zum griechischen Tragödienformat. Neun Schauspieler wechseln fliegend die Rollen. …Fußball gespielt wird auf der Düsseldorfer Bühne garantiert nicht. Nur ein einziges Mal hüpft ein Lederball auf die Bretter: Aus dem Theaterfußballhimmel. ..“

Aachener Zeitung

 

 „…Wenn Dieter Prochnow als letzter Fan in der Nordkurve Herbert Achternbuschs Monolog „Jede Realität ist blöd“ vorträgt. Da sinniert er über einen Nachrichtendienst, der den Toten auf dem Friedhof die Spielergebnisse der Lieblingsmannschaft übermittelt: Bayern in einem Sammelgrab, Sechziger im anderen. Und wir verstehen: „Fußball ist unser Leben“. Und mehr.
Oder die absurde Szene „Letzter Mann“, in der Marius von Mayenburg sich drei ältere Hobbykicker auf dem Platz ausdenkt, die auf ihren vierten Mann warten. Ihre Gebrechen und Defizite führen zu Loriot-nahen Pointen. Und eine sportliche Spitzenleistung im Rollenwechsel auf offener Bühne legen Constanze Becker und Martin Schneider in Moritz Rinkes „Gott, der Kaiser und der Depp“ hin, einer Kurzfassung der Nationaltrainersuche mit Rehhagel, Beckenbauer, Matthäus samt Gespielinnen. ….“

Westfälischer Anzeiger

 

„…Es ist, wenn man gut gelaunt bilanzieren mag, ein recht lustiger musikkabarettistischer Abend. ...“

Rheinische Post