Moritz Rinke

Café Umberto

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik: Matthias Schneider-Hollek
Dramaturgie: Rita Thiele / Sybille Meier

Uraufführung am 25. 9. 2005 im
Düsseldorfer Schauspielhaus

Besetzung:
Jaro: Marcus Bluhm
Jule: Lisa Hagmeister
Umberto: Jean-Laurent Sasportes
Lukas: Matthias Leja
Sonja: Esther Hausmann
Anton: Dominique Horwitz
Paula: Julia Wieninger
Herzberg: Hans Piesbergen
August: Dieter Prochnow
Der junge Mann: Johannes Allmayer

 


Pressestimmen:

„…Die schöne, leichte Düsseldorfer Uraufführungsinszenierung Burkhard C. Kosminskis packt denn auch das Stück sozusagen bei dessen märchenhaftem Verlogenheitsportepee, das sich als Realität tarnt. Die Bühne Florian Ettis ist mit türkisfarbenen Schalensitzen eine Wartesaal-Realität – und ein Wolkenkuckucksheim. Kein Ausgang in irgendeine Zeit, Links hinten Umbertos Betonsäulen-Café – für Ewigkeiten gebaut.
Die Schauspieler gehen ihre Rollen so sanft und schön an, als hätten sie alle Jaros und Rinkes „Akademie für Würde“ durchlaufen. Sie spielen ihren Schmerz groß und traurig aus: Dominique Horwitz als Dozent und Julia Wieninger als Malerin sind ein traulich Tragödienpaar mit unendlich komischen Zügen: Medea und Jason in der Arbeitslosenwelt. Die Fernsehmoderatorin der Esther Hausmann ist eine vernünftige Liebhaberin ihres elenden Gatten, den Matthias Leja als Dandy des Schmerzes viril ironisch bricht: Minna von Barnhelm trifft auf Oscar Wilde. Während der Umberto des Jean-Laurent Sasportes wie ein iberischer Luftgeist überm Latte Macchiato schwebt: Ariels Modenschau. Und Marcus Bluhm als Jaro und Lisa Hagmeister als Jule wirken, als probten sie einen großen Menschheitsliebesmoment aus „Romeo und Julia“ – mitten im Arbeitsamt. Eine Inszenierung, die aus Rinkes Kitsch wahres Theater und aus Rinkes verstiegenem Weh und Ach eine Komödie macht. . …“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

Der stumme Fluglehrer
Das Thema Arbeitslosigkeit ist neu auf dem Theater angelangt. In Moritz Rinkes „Café Umberto“ kommen die Joblosen aus der Mitte der Gesellschaft. Dem Düsseldorfer Schauspielhaus gelingt eine starke Uraufführung.
Gut zwei Stunden sieht man Umberto nur schweigend. Er steht in einem kleinen Café, das er im Wartesaal in einer Agentur für Arbeit betreibt. Er mache, heißt es, den besten Latte Macchiato der Stadt. Wortlos erledigt er die Bestellungen der Kundschaft. Vor allem hört er ihnen zu, den Job-Suchern, Ich-Suchern, Liebe-Suchern und Sinn-Suchern. Ist ihnen nahe. Freut sich lächelnd mit ihnen über Ermutigendes. Sorgt sich, wenn es gerade wem an Mut gebricht.
Umberto ist das Wärmezentrum zwischen den kalthellblauen Polyesterstuhlreihen im Amt. Er ist die tonlose Gegenstimme zu einem sprechenden Automaten, der den Arbeitslosen ständig schlechte oder absurde Nachrichten zur Marktlage serviert. Am Ende des jetzt in Düsseldorf uraufgeführten „Café Umberto“ sitzt dieser stumme Menschenfreund im Saal – und singt. Singt leise den Beatles-Song von der Amsel, die die Totenstille der Nacht vertreibt: „Blackbird singing in the dead of night / Take these broken wings and learn to fly…“ Singt eine der schönsten Selbstermutigungen der Pop-Geschichte. Und Schluss.
Jean-Laurent Sasportes ist Umberto, voll intensiver Ruhe und Herzlichkeit anrührend in seinem Spiel, umgeben von nicht minder großartigen Kollegen. Regisseur Burkhard C. Kosminski hat Moritz Rinkes Stück auf der kleinen Bühne des Hauses zu einem Abend hoher Schauspielkunst entwickelt.
„Café Umberto“ erzählt uns von der Arbeitslosigkeit nicht wie die üblichen Sozialstudien aus dem Keller der Gesellschaft, auch nicht wie „Top-Dog“-Protokolle aus den Etagen der Manager. Vielmehr treffen hier die sensiblen Arbeitslosen der bürgerlichen Schicht zusammen, Leute aus akademischem Milieu, die ihre Situation reflektieren, die Worte haben fürs Leiden an der Welt und aneinander. Sie erleben ihre Not – das verbindet sie alle – als Beziehungs- und Gemütskrisen.
Drei Paare: der immer noch aufbruchwillige Musiker Jaro (Marcus Bluhm) und die labile Modedesignerin Jule (Lisa Hagmeister); der Universitätsdozent ohne Lehrauftrag Anton (Dominique Horwitz) und seine malende melancholische Frau Paula (Julia Wieninger); der Erdkundelehrer Lukas (Matthias Leja) und seine schöne Freundin Sonia (Esther Hausmann), eine Moderatorin, die einzige des Sextetts, die noch einen Job hat und in ihm sogar Erfolg.
Die Katastrophe frisst sich von innen her zu den Opfern. Nicht abschmelzende Kontostände setzen diesen Leuten zu, sondern Selbstwertschwindsucht. Wird man noch aus anderen als aus karitativen Gründen begehrt? Was hat man ohne Arbeit denn schon für Texte drauf, die nicht bloß auf Klage und Selbstmitleid hinauslaufen?
In den Tönen des Alltags werden diese Fragen verhandelt, so wie einer eben spricht, der mit dem Rücken zur Wand steht. Gefühlsecht die frisch gepresste Wut zwischen Sonia und Lukas, dem Paar, das die Binnendifferenz seiner Lage nicht aushält. Bestürzend der unheilbare Schaden, den sie Demütigungen des Nicht-gebraucht-Werdens in der Liebe von Paula und Anton anrichten. Es wird geschrien und geflüstert, gelacht und geheult, herumgehangen und angepackt, aufgegeben und Anlauf genommen – ein steter tapferer  Kampf darum, dass jemand wieder eintreten kann in den Lauf seines eigenen Lebens. Als Auto-Biograf.
Es gibt einen Toten. Es gibt geplatzte Träume. Es gibt definitiv verpasstes Leben. Dennoch sperren Rinke und mit ihm Kosminski die Hoffnung nicht aus. Jaro(ausgerechnet der Musiker hat die größten Vitalitätsreserven!) darf auf eine Malerleiter steigen und sein Manifest der „Neuen Arbeit“ ausrufen: „Millionen können sich doch nicht einfach so stilllegen lassen. Ich gründe die Akademie für Selbstachtung.“ Dann beginnt das Projekt „Zeit haben ist total angesagt“.
Für Anton reicht es nicht mehr. Er geht aufs Bahngleis und hält im letzten Moment ein Schild hoch: „Heute keine Vorlesung“. Kurz zuvor hatte Paula ihm noch das Lied von „Blackbird“ gesungen, und er hatte weinen müssen.
Umberto singt nun dasselbe Lied für die, die noch da sind: Take these broken wings and learn to fly.
Zukunft offen. Starker Beifall.

Rheinische Post

 

„….Unaufgeregt, ohne Griff in die effektheischende Trickkiste und doch spannungsvoll inszenierte Burkhard C. Kosminski am Sonntagabend im Kleinen Haus die dramatisierte Aufforderung, die Begriffe Zeit und Arbeit neu zu definieren. …“
„…Kosminski arbeitet mit präzisem Timing, lässt sich aber Zeit mit dem tragikomischen Stück. Und das ist gut so. Menschen, deren Alltag vom Warten bestimmt ist, wird ein atemloses Revue-Stakkato nicht gerecht.
So finden sie sich nach und nach ein im „Café Umberto“, die Talente, die der Markt nicht braucht: Jaro, Komponist und Optimist trotz allem (authentisch: Michael Bluhm). Später wird er Mode-Designerin Jule, deren Label „Berlin am Meer“ niemand ordern will, vor dem Sprung ais dem Fenster retten, aber nicht vor der Psychiatrie. Lisa Hagmeister umspannt die flatternde innere Unruhe dieser gescheiterten Ich-AG mit nervöser Haut, ohne zu überdrehen. Die Inszenierung dosiert die Leichtigkeit gerade so, dass die Szenen dem Pathos der freudlosen Gasse entgehen, ohne Abgründe zu verdecken.
Explosiv geladen dagegen Paula und ihr Mann und Ex-Uni-Professor Anton. Bei den Beiden hat die Arbeitslosigkeit jeden Selbstschutz längst aufgerieben, Beziehungskonflikte potenziert. Glaubhaft ist Dominique Horwitz’ Aufbegehren gegen die Abwertung weniger in den hochgekochten, viel mehr in den stillen Momenten
Eigentherapie per Dia-Projektor voller Selbstporträts betreibt Erdkundelehrer Lukas (ausgezeichnet: Matthias Leja). Dass seine Frau Sonja, erfolgreiche TV-Moderatorin (Esther Hausmann) ausgerechnet dem Arbeitsagentur-Computer im „Café Umberto“ ihre Profi-Stimme verkauft hat, ist zuviel der Erniedrigung.
Bis Bauer Kück (als kauzige Randfigur: Dieter Prochnow) schließlich wortlos einen Baum (der Hoffnung?) ins Jobcenter trägt und Umberto (Jean-Laurent Sasportes) mit dem „Black Bird“ der Beatles doch noch seine Sing-Stimme (für die Zukunft?) abgibt, sind zwei gute, zwei lebensnahe Theater-Stunden vergangen. Freie Zeit, die eigene Lage auszuloten, anregender Stoff für selbstbestimmte Kopf-Arbeit, auch später. –Lang anhaltender Applaus vom Premierenpublikum. ..“

Neue Rhein Zeitung

 

„…Regisseur Burkhard C. Kosminski führt die Schauspieler souverän und setzt eindeutig auf das notwendige, zügige Tempo, um das zu oft variierte Thema über persönliche Krisen, politische Parolen und Arbeitslosigkeit zu straffen.
Der Abend endet poetisch. Bauer August Kück (Dieter Prochnow) stellt ein Bäumchen der Hoffnung auf den Automaten und der Wirt Umberto (Jean-Laurent Sasportes hinreißend im Grotesktanz und als Dressman) singt als Trost für alle, die dieses ungewisse Leben noch ertragen, den Beatles-Song mit den Schlussworten „Take these broken wings and learn to fly“. Viel Beifall für Alle…“

Theater pur

 

„…Burkhard C. Kosminski lässt den Charakteren und Szenen Raum und Entfaltung. Zweidreiviertel Stunden dauert seine Inszenierung: Das ist angemessen und trägt auch ohne Durchhänger durch den Abend….“

Ruhr Nachrichten