Theresia Walser

Herrinnen


Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik:
Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie: Ingoh Brux

Uraufführung
am 29. Oktober 2014

Schauspielhaus, Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Rita Schuster / Luzi : Anke Schubert
Tanja Kreuz / Betty : Sabine Fürst
Martha Menke / Carla : Ragna Pitoll
Brenda Finke / Malte : Sven Prietz

Katie Schlender / Iris : Katharina Hauter

 

 

 


Pressestimmen:



Wer ist die Stärkste im ganzen Land?
In Mannheim bringt Burkhard Kosminski das neue Stück von Theresia Walser auf die Bühne: „Herrinnen“ ist eine wunderbar mit dem Boulevard flirtende Komödie über moderne Feministinnen – und über den modernen Theaterbetrieb obendrein.
Stuttgart - Malte ist mit seiner Arbeit unzufrieden. Er ist Schauspieler und hat schon bessere Tage gesehen – und bessere Rollen als jene, in die er jetzt schlüpfen muss, auch. „Hier oben in meinem Kopf, hier drinnen, sind 17 Hauptrollen gespeichert, 17 Hauptrollen, zuletzt Wilhelm Tell“, klagt der verkannte Bühnenkünstler, „davor habe ich mich 140-mal erschossen, da war eine Spannung in der Luft, jeden Abend, ob Lüdenscheid, Schwäbisch Gmünd oder Remscheid“ – und diese Spannung, die er als erotisch selbstmörderischer Werther aufbauen konnte, hat auch die Frauen im Parkett einst total erfasst, gerade beim Gastspiel in Remscheid, wo er bei den Remscheiderinnen eine „Besamungsbesessenheit“ auslöste, die ihm Angst und Bange machte. Mann, Mann, Mann, das waren Triumphe! Aber jetzt? Spielt er eine Transe, die bei keinem Publikum der Welt auch nur irgendwas zu erregen vermag. Nein, mit der Rolle einer „drittklassigen Boulevard-Thisbe“ wird der glühende Malte nicht glücklich werden. Wer hat ihm diesen Schlamassel nur eingebrockt?
Er weiß es: Maltes Zorn richtet sich gegen die Autorin Gloria Wolf, die das Stück „Die Tür“ geschrieben hat, das er gerade mit vier Kolleginnen mehr schlecht als recht probt. Und er hasst die wölfische Dramatikerin, weil sie ihre Figuren, also die Schauspieler, wie „blökendes Meinungsvieh, wie depperte Oberministranten und Zeitgeistvampire“ hinter den angesagten „Theaterlaufstegmoden“ hinterherhecheln lässt. Wow! Zeitgeistvampire! Das sitzt! Denn was der Transenspieler in seinem Frust formuliert, ist ja nicht nur eine harsche Abrechnung mit Gloria Wolf, sondern mit dem zeitgenössischen Theater überhaupt – ein Todesurteil gleichsam, von dem wir jetzt freilich nur erfahren, weil sich hinter „Der Tür“ noch eine weitere Tür und eine weitere Wirklichkeit auftun. Und da sehen wir – Tusch – die gute Theresia Walser, die anders als Frau Wolf nun tatsächlich existiert und als Autorin virtuos mit einem alten Trick spielt: mit dem Stück im Stück, einem bewährten Komödienverfahren, das seit jeher die Möglichkeit bietet, erheiternd über das eigene Tun im Theater und dem ganzen Betrieb drumherum nachzudenken.
Wie sich Dominas durchsetzen
Walsers sprachgewaltiges Schauspiel, das jetzt im Mannheimer Nationaltheater uraufgeführt worden ist, heißt „Herrinnen“. Und von Herrinnen, von dominanten weiblichen Figuren und ihren Durchsetzungsstrategien, handelt sowohl die Rahmenhandlung der Theaterprobe als auch die Binnenhandlung des zu probenden Theaterstücks: In der „Tür“ treffen sich fünf Frauen bei einer Preisverleihung. Sie alle sind in der Kategorie „weibliche Lebensleistung“ für eine feministische Auszeichnung nominiert und üben nun hinter den Kulissen ihren großen, um die Gunst des Saalpublikums buhlenden Auftritt. Da sind die beiden Topmanagerinnen Rita und Tanja, die schon weit in den Schwellenländern mit ihren entwicklungsfähigen Märkten herumgekommen sind. Da ist die humpelnde Staatsanwältin Martha, die seit 165 Jahren die erste Frau im Obersten Gerichtshof ist, die dort ihren Mann steht, während die Kindergärtnerin Katie jenseits von Frau und Mann allein auf das Gute im Nachwuchs vertraut: „Kindertränen waschen die Welt rein“ verkündet die immer authentische Pädagogin der Runde, der schließlich als Fünfter im Bunde die erwähnte Transe Brenda angehört, die früher Bernd hieß und von Malte gespielt wird.
Mit bewundernswertem Raffinement, dabei gewitzt mit dem Boulevard flirtend schickt Walser die „Herrinnen“ nun ins doppelbödige Treffen. Denn natürlich prägen nicht nur die Spieler ihre Rollen, sondern auch die Rollen ihre Spieler – mit der Folge, dass sich der Überbietungswettbewerb der Preisgala auf subtile Weise im Konkurrenzkampf der Theaterprobe fortsetzt. Und wie gemein es jenseits aller Frauensolidarität hinter den Kulissen zugehen kann, weiß die 47-jährige Walser vermutlich aus eigener Erfahrung. Bevor sie zu schreiben angefangen hat, war sie selber Schauspielerin – und dass sie den Theaterbetrieb aus dem Effeff kennt, merkt man nun auch an der Leichtigkeit, mit der sie aktuelle Diskurse über Dramatik und Postdramatik, Rolle und Rollenausstieg sowohl theoretisch als auch erheiternd praktisch in ihre „Herrinnen“ einbaut. Nicht nur Malte steigt mosernd aus der Probe aus, sondern bald auch der Rest des Quintetts: Die Fiktion muss sich der Wirklichkeit des Kantinentratsches geschlagen geben, in einer überraschenden Volte im Finale, das in Mannheim behutsam vorbereitet wird.
Im Gebirge der tollkühnen Metaphern
Burkhard Kosminski ist kein Mann, der Stücke brutal zertrümmert. Wort für Wort lässt der Uraufführungs-Regisseur die „Herrinnen“ vom Blatt spielen, was insofern angebracht ist, als Walsers geistreich poetischer Text in dieser Werktreue voll zur Geltung kommt: Umgeben von Alltagssprache schießen auf der Mannheimer Bühne nun Metaphern in die Höhe, die sich zu wahren Originalitätsgebirgen vereinen, ohne dabei je ihre eigentliche Bestimmung vergessen zu machen. Treffend kennzeichnen die tollkühnen Sätze die weiblichen Lebensleistungsfiguren, die von Katharina Hauter, Ragna Pitoll, Sabine Fürst und Sven Prietz souverän gespielt werden. Und eben von Anke Schubert, für deren Luzi das Spiel am Ende definitiv aus ist.
In ihrer Rolle als Selfmadefrau Rita wundert sich die dicke Luzi, dass die „meisten Leute einfach nicht kapieren, dass Gott sie nur als Statisten besetzt hat“. Doch was alle ihre Kollegen und Kolleginnen bereits wissen, weiß nur sie selbst noch nicht: Schon in wenigen Minuten wird sie als Schauspielerin nicht mal mehr eine Statistin sein. Das Theater hat sie entlassen – und wenn die dreifaltige Schubert/Luzi/Rita jetzt allein im Scheinwerferlicht steht und herzensinnig von der Magie der Stille schwärmt, verschränken sich Wirklichkeit und Fiktion ein allerletztes Mal. Die Komödie der „Herrinnen“ ist zu Ende. Gallenbitter.
(Stuttgarter Zeitung, 31.10.2014)

Das letzte Wort im Kampf der Geschlechter ist noch nicht gesprochen. Angesichts dieser Wortspielperlen wäre es auch schade drum: Männer sind da Entwicklungsländer, eingelagerte Eizellen Gefrierschrank-Engelchen und eine Handvoll herumstehender Frauen ein Geschlechtskränzchen. Es hagelt Durchsetzungsmechanismen mit Kampfstuten und Karrierehyänen. In ihrem neuen Stück "Herrinnen" umkreist Theresia Walser die Untiefen des heutigen Frauseins, tappt aber auch tief hinein – auf High-Heels oder barfüßig. Am Nationaltheater Mannheim hat Hausherr Burkhard C. Kosminski das Stück nun uraufgeführt, das sechste Auftragswerk seit 2006, das er der jüngsten Tochter Martin Walsers vergab.
In "Herrinnen" warten fünf Frauen in Abendgarderobe, Hosenanzug, schulterfreiem Overall und Minirock. Sie alle sind nominiert für den "Staatspreis für weibliche Lebensleistung" und belauern sich nun in den Hinterstuben der Preisverleihung so neugierig wie misstrauisch: Rita, die Self-Made-Frau, Managerin einer weltweit agierenden Firma für Mörtelmaschinen und Betonpumpen, die Anke Schubert mit energischer Bodenständigkeit und knarziger Stimme ausstattet. Martha, die erste Staatsanwältin in Leitungsposition des Obersten Gerichtshofs seit 165 Jahren, die Feministin mit dem Hinkebein, deren Kinder – passend zur aktuellen Debatte – bei minus 116 Grad in einem Münchner Eisschrank auf sie warten. Eisig-konzentriert spielt Ragna Pitoll diese Martha, mit strengem Blick im weißen Hosenanzug und mit ebensolchem Pagenkopf.
Tragikomische Zuspitzfiguren
Katharina Hauers Kindergärtnerin Katie ist eine großäugige Weltverbesserin mit guten Tipps für jede Lebenslage, die den Kindergarten erfunden hat, der keinen ausschließt. Und Sabine Fürst spielt die Topmanagerin Tanja als überdrehte, hochtoupierte und langbeinige Karriereschreckschraube und Wochenendsupermutter, Managerin für Suppeninstantpulver mit vier Kindern, 185 Tage im Jahr auf Reisen. Das Ensemble der tragikomischen Zuspitzfiguren wird vervollständigt von Brenda, der etwas schüchternen transsexuellen Mathematikerin, die einmal Bernd hieß und über die schönste Gleichung der Welt zu schwärmen weiß. Sven Prietz wirkt als Transe gelegentlich genauso unsicher wie seine Figur über seine Identität zwischen den Geschlechtern.
In einer patriarchal geprägten Gesellschaft haben die fünf sich hochgekämpft, nun können sie auch backstage mit dem Kämpfen nicht mehr aufhören: Sie unterbrechen und übertrumpfen sich in der Schilderung ihrer Erfolgswege, die unbedingt Leidenswege sind, und beleidigen sich in so komischen wie treffsicheren Wortscharmützeln aufs Feinste. In einem schwarz-weißen Warteraum mit Stuhlreihen und Säulen  vereinzeln sie sich wortreich, jede eine schwer bewaffnete Einsamkeitsgestalt. Auch ihre Kostüme sind schwarz und weiß, wie das Denken, gegen das dieser Lebenspreis angehen soll.
Leise Bitterkeit
Doch wer ihn erhält, das werden wir nicht erfahren: Denn Rita und Co. heißen in Wirklichkeit Luzi, Carla, Betty, Iris und Malte, sie sind Schauspieler|innen, die das Stück "Die Tür" von Gloria Wolf proben. Morgen ist Premiere, in Tirol. Vorher aber gibt es noch einiges zu klären, denn auch als Schauspieler|innen sind sie Konkurrent|inn|en, die manisch den Erfolg ihrer letzten Hauptrolle in Remscheid beschwören, sich über den richtigen Theaterbegriff streiten, über das Spiel mit oder ohne Vierte Wand, mit Figur oder doch mit Mechanismus, und um den Inhalt des Stückes: Frauen, Behinderte, Transsexuelle! Der reinste Zeitgeistvampirismus, meint Malte: Dass man auch auf jede Theaterlaufstegmode aufspringen müsse und jede frisch dahergelaufenen Glaubenshaltung nachbeten! Andererseits findet er es gönnerhaft-toll, dass das Stück anspruchsvolle Rollen für gleich vier Frauen mittleren Alters biete – die seien ja sonst arbeitslos.
Kosminskis zurückhaltende Regie konzentriert sich ganz auf die Schauspielerinnen und ihre Wort-Pirouetten. Er setzt die Komödie aufs Gleis und lässt sie dort abschnurren. Theresia Walser gelingt unterdessen mit dem Theater im Theater ein geschickter Kniff: Sie greift aktuelle Diskurse um Frauenquoten und Familienplanung auf, um die Integration Behinderter und den Umgang mit Trans- und Crossgender, reflektiert diese Diskursmoden und ihren häufig so atem- wie gedankenlosen Widerhall im Theater jedoch kritisch – und sogar mit einer Prise Selbstironie. Dabei ist der heitere Abend voll leiser Bitterkeit: Während die Gesellschaft immer weitere Toleranzen, Einschluss- und Differenzierungstechniken austreibt für ihre Randbewohner, ist in diesem Eskalationsszenario rein gar nichts politisch korrekt. Alte Klamotten und gut abgehangene Vorurteile werden bis zum Erbrechen repetiert, und es wird sichtbar, wie wenig doch geht im angeblichen anything goes der Gegenwart.
(nachtkritik.de, 29.10.2014)


Frauenpower, die so richtig fetzt - die bietet Theresia Walsers neues Stück "Herrinnen", das in der Inszenierung von Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski am Nationaltheater Mannheim seine Uraufführung hatte, zumindest auf den ersten Blick. Denn die fünf Heldinnen stehen im Leben gekonnt ihre Frau und haben steile Karrieren hingelegt.
Aber schon im Titel "Herrinnen" werden diese Erfolge hinterfragt, denn die Aufsteigerinnen werden dort ausgerech-net mit der weiblichen Form einer Männerbezeichnung belegt. Und so ist auch das ganze Stück ausgerichtet: Die Frauen sind zwar oftmals Chefinnen im Ring des Geschlechterkampfs, aber ihre Fortschritte verheddern sich doch ständig in der männlich vorgeprägten Lebenswelt, was mit deutlich mehr witziger Ironie als ernstem Sarkasmus über die Rampe gebracht wird.
Das vielschichtige und wendungsrei-che Drama beginnt in einem hochfunktionellen - rechtwinkligen und schwarzweißen - Ambiente (Bühne: Florian Etti; Kostüme: Ute Lindenberg) im Rahmen der offiziellen Vergabe eines "Staatspreises für weibliche Lebensleistung". Aber hier sind die nominierten Frauen noch keineswegs "Herrinnen" des Geschehens, sondern wiederum Objekte einer hierarchischen Gesellschaft, die ihnen eine passive Rolle zuweist.
Und "Rolle" ist vielleicht ein wichtiges Stichwort. Denn die Szenerie der Preisverleihung kippt langsam, aber sicher um in ein Theaterstück mit den potenziellen Preisträgerinnen als Darstellerinnen. Und dieses Stück im Stück wird zum theatralen Labor weiblicher Identität, in dem die Frauen nicht nur ihre vielfältigen Lebensrollen reflektieren, sondern auch gestalterisch initiativ werden und selbst die Regie übernehmen.
Zum Beispiel gibt Schauspielerin Anke Schubert die schon ältere Luzi, die einst als Sekretärin einer Getränkeabfüllfirma begann und nun eine Unternehmerin im weltweiten Maschinenbau ist. Aber auch ihr Maserati-Cabrio verkörpert für sie nicht mehr das höchste der Gefühle; sie möchte vielmehr die drei Hauptrollen "mit M" spielen (Maria Stuart, Medea, Lady Macbeth). Im fortgeschrittenen Alter befindet sich auch die von Ragna Pitoll dargestellte Carla. Dieses juristische Karrierewunder hat seine potenziellen Kinder per Social Freezing auf Eis legen lassen und nach geschafftem Aufstieg erst einmal Hunderte von Mitarbeitern entlassen, was ihr mit Bezug auf ihren Nachnamen die Bezeichnung "Kettensägen-Menke" eintrug.
Nicht von schlechter Mutter ist auch die von Sabine Fürst gespielte attraktive Betty (geschätzte Absatzhöhe: 15 Zentimeter), eine durchsetzungskräftige Managerin in Südamerika, die ganz nebenbei von ihren vier Kindern auch noch drei selbst "gepresst" hat; und ihren Mann Jochen hat sie "gecastet": Er ist für Betty ein noch ausbaufähiges "Entwicklungsland". Schließlich muss Katharina Hauter als Kindergärtnerin Iris den Geschlech-terkrieg schon bei Sandkastenspielen von Mädchen und Jungen professionell überdecken. Und der von Sven Prietz gegebene Malte, der einst Mann war, nun aber Frau ist, irrt im Leben wie auf der Bühne - stets gefangen im "Geschlechtskerker" - orientierungslos zwischen den Gen-der-Fronten hin und her.
Alles in allem bietet Theresia Walsers bereits sechstes Auftragswerk für das Nationaltheater einen flotten und heiteren neunzigminütigen Theaterabend, der ernste Themen locker verpackt ins Publikum befördert. Nebenbei wird mit weib-lichen Klischees aufgeräumt. So können diese Frauen durchaus Aggressionen und Wut entwickeln, etwa wenn sie ein nervendes Kind "an die Wand klatschen" könnten oder wenn sie Seitenhiebe auf Konkurrentinnen austeilen. Sie wollen weder "penislose Jammerziegen" noch "Geschlechtskränzchen", aber auch keine "Geschlechtsdespotinnen" und schon gar kein "Weichspülprogramm" für die Volkswirtschaft sein.
Aber was wollen diese Frauen dann sein? Das bleibt nach vielen aufgeworfenen Fragen und Widersprüchen weitgehend der Phantasie der Zuschauer überlassen. Erfolg in männlich genormter Gesellschaft ist für Frauen sicherlich wichtig - aber für ein glückliches Dasein ist er noch keine Garantie, zumal allen Menschen Grenzen gezogen sind: Im Leben wie im Theater folgt auf jeden noch so effektvollen Auftritt irgendwann der stille Abtritt. - Starker Applaus.
(Rhein-Neckar-Zeitung, 31.10.2014)

Selbstbewusste Bestien.
Tändelnd besetzen sie den schmucklosen, leicht in den Zuschauerraum vorgezogenen Bühnen-Salmiak, wiegen zu einem dezenten Beat die Hüften – und tun so, als wollten sie nur spielen. Wollen sie aber gar nicht: Die fünf Damen wollen gewinnen. Eine jede für sich. Denn wir befinden uns im Finale um den „Preis für weibliche Lebensleistung“ – und die Siegerin steht noch nicht fest.
So beginnt in Mannheim Burkhard C. Kosminskis Inszenierung von Theresia Walsers jüngstem Stück „Herrinnen“. Es ist bereits das sechste Stück der Martin-Walser-Tochter für das Mannheimer Nationaltheater. Hatte sie zuvor die Allmachtsphantasien der Führungskräfte („Ein bisschen Ruhe vor der Sturm“, 2006) und die Be- und Verkleidungsrituale der leitenden Angestellten („Herrenbestatter“) auf Korn genommen, so ist in „Herrinnen“ nun die Damenwelt dran.
Zunächst stehen allerdings nicht alle fünf, sondern nur drei Vorzeige-Exemplare auf der Bühne. Martha, die kühle Konzernlenkerin (Ragna Pitoll), hat alles im Griff, auch die Familienplanung: Die Eizellen für die Kinder, die sie einmal haben wird, liegen bei minus 116 Grad wohlverwahrt in einem Münchner Labor. Auf gefährlichen High Heels ist daneben die blondgelockte Tanja (Sabine Fürst) unterwegs, Managerin und Mutter von vier Kindern, die an 185 Tagen im Jahr auf Dienstreise ist und den Mustergatten Jochen scheucht, wo sie geht und steht. Fast bieder daneben die Kindertagesstätten-Organisatorin Katie (Katharina Hauter), die im schwarzen Einteiler eher abwartet als auftrumpft. Was aber nicht verhindert, dass die Damen sie schon mal als „Gefrierschrank-Engelchen“, „schulterfreie Schlampe“ oder „Geschlechtsclown in der Hosenanzugs-Festung“ titulieren.
Geboren als Kerl
Der Ton verschärft sich noch, als Rita (Anke Schubert) zur Tür reinkommt – eine Matrone im C&A Outfit, die ihre Geschlechtsgenossinnen sogleich als „penislose Jammerziegen“ begrüßt. Fehlt nur noch Brenda (Sven Prietz), geboren als der einzige Kerl in der Runde, der es sich aber irgendwann im Laufe seiner Selbstfindung anders überlegt hat.
So sticheln sie, heucheln, machen sich manchmal sogar gegenseitig Mut, bis … ja bis Brenda, die Mathematikerin, die mal ein Mann war, mit ihrer Rolle nicht mehr zurechtkommt. Rolle? Ja, Rolle: Plötzlich wird deutlich, dass wir uns nicht im realen Leben, sondern in einer Tourneetheateraufführung befinden - genauer gesagt: in der Probe zu einer Tourneetheateraufführung. Und ein jeder dort probiert in seiner Rolle sein privates Leben durch. Denn: „Leben heißt auf der Bühne stehen.“
Als sich dann auch noch herausstellt, dass die Tourneeleitung klammheimlich die Entlassung einer Akteurin beschlossen hat, verkehrt sich der anfängliche Wettstreit um den „Preis für die weibliche Lebensleistung“ in puren beruflichen Überlebenskampf. Und Oper ist ausgerechnet die ruppige Rita – die Stütze der Truppe, die sich mit ihrer Zugehörigkeit zur „Old School“ brüstet und vermutlich gerade deshalb keine Chance mehr hat. Am Ende steht sie allein im verlöschenden Licht und beschwört die Magie der Stille, während die anderen sich in die Kulissen verabschieden.
Grandios. Und das hat darüber hinaus Tempo und Witz – und gut gespielt ist es obendrein. So geht Theater! Die Saison kommt in Fahrt.
(Allgemeine Zeitung Mainz,31.10.2014)

Zitate :

»Diesen Ladies ist die Karriere zu Kopf gestiegen bis zur völligen Verblödung ... Wohlformulierte reaktionäre Bosheiten bestimmen auch das Theaterbild. Man begegnet Abgründen konkurrenzroutinierter Stadttheater-Existenzen, die kaum mehr interessiert als große Rollen, gute Sätze, die eigene Karriere, eitle Effekte und die sich darüber bei jeder Gelegenheit mit Lust gegenseitig fertigmachen.«
(Theater Heute, Januar 2015)

„In diesem virtuosen Theater-Theater-Stück verdoppelt sich die Problematik nun freilich dadurch, dass hinter jeder dieser Vorbild-Frauen ja auch noch ihre jeweilige Darstellerin bzw. ihr Darsteller steckt – und hervortritt.“
(Deutschlandfunk, 30.10.2014)

„Die Mannheimer Schauspieler, Ragna Pitoll, Anke Schubert, Katharina Hauter, Sabine Fürst und Sven Prietz, denen Theresia Walser die Figuren auf den Leib geschrieben hat, spielen das alles so verzweifelt komisch wie menschlich anrührend. Und Burkhard Kosminski, der bei der Stückentwicklung seinen Anteil hatte, stellt seine präzise Inszenierung ganz in den Dienst des prächtig funktionierenden Textes.“
(Die Rheinpfalz, 31. Oktober 2014)

„[…] Theresia Walsers Text ist sehr aktuell, witzig, scharfzüngig, mit vielen subtilen Untertönen. Eigenwillig spiegelt sie die aktuellen Diskussionen über Transgender, Behinderte, Tiefkühlföten oder Frauenquoten.“
(SWR, 30. Oktober 2014)

"Der Krieg der Powerfrauen wird verdoppelt und gespiegelt im Hauen und Stechen der Erfolgsschauspielerinnen darum, wessen weibliche Lebensleistung am teuersten erkauft wurde und wessen Selbstausbeutung am meisten Applaus verdient."

(Burkhard C. Kosminski halte) "sich als Regisseur beim Gipfeltreffen der 'Herrinnen' klugerweise zurück und lässt die Frauen machen. Sie rennen schwungvoll offene Boulevardtüren ein und holen sich Beulen an der vierten Wand: ein unterhaltsamer Kantinenwitz, ein hinterhältiges 'Geschlechterkränzchen'“
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.2014)

„Fantastisch, wie die Fünf auf der Bühne die Achterbahn bewältigen, in welchem Rhythmus sie umschalten, dass Sprechtheater so spannend und geistreich sein kann. Der begeisterte Applaus war absolut verdient. Autorin Theresia Walter und Regisseur Burkhard C. Kosminski im Saal konnten die Vorpremiere vorbehaltlos genießen.“
(Zett, 26.10.2014)

„„Herrinnen“ ist ein hinterhältiger Text, der das Publikum auf Glatteis führt. Es ist ein Vexierspiel, in dem sich das Leben im Theaterlicht bricht und umgekehrt. Es ist ein Stück, das den Schauspielern zugesteht, dass sie und ihre Kunst das Wichtigste im Theater sind.“
(Dolomiten, 24.10.2014)