Christoph Nußbaumeder

Jetzt und in Ewigkeit

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme:
Sabine Blickenstorfer
Dramaturgie: Ingoh Brux
Musik:
Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry

Uraufführung am 15. Dezember 2007
Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Honey : Roman S. Pauls
Jim : Peter Pearce
Wilson : Ralf Dittrich
Elli Douglas : Gabriela Badura
Gina : Almut Henkel
Dick Kaiser : Reinhard Mahlberg
Fletcher : Peter Rühring
Milli : Nadine Schwitter
Hunter : Sven Prietz
Chor der mexikanischen Sterndeuter :
Peter Pearce, Roman S. Pauls, Nadine Schwitter

 


Pressestimmen:

[…] In einem öden Nest am Mississippi namens Riverpoint fehlt es an allen Ecken und Enden an Geld und Ideen. Die Bürgermeisterin versucht, sich die Langeweile mit erotischen Abenteuern zu vertreiben, der Priester ist ein Schürzenjäger und Mörder, die Aussichten trostlos.
Da kommt frohe Botschaft: Der eben neu gewählte Papst stammt aus Riverpoint. Sofort eröffnen sich glänzende Aussichten, wenn viele Gläubige kommen, gi(l)/(b)t es etwas zu verdienen.
Nußbaumeder beschreibt plausibel, dass der Sinn fürs Geschäft allemal stärker ist als jede Spiritualität – „Jetzt und in Ewigkeit“! Er krönt sein sozialkritisches Volksstück mit der Geburt eines zweiten Christkindes. Der Bruder des Papstes, ein alter, krebskranker Mann, zeugt mit Milli, einer jungen Mexikanerin ohne Aufenthaltsgenehmigung ein Kind, ehe er stirbt. Milli tut sich mit einem arbeitslosen Schreiner zusammen, das Paar erinnert nicht von ungefähr an Maria und Joseph. Aber der Säugling wird nicht so mittellos sein wie Jesus, denn der verstorbene Vater hinterlässt ihm ein Haus - das Haus, in dem der neue Papst geboren wurde: eine Goldgrube.
Das erregt den Meid von Mitbürgern, sie planen einen Anschlag auf das Baby. Es soll sterben, um die Vermögens- und Machtverhältnisse beim Alten zu belassen. Aber der Anschlag misslingt - wie einst der von König Herodes. Das Stück endet, wenn der Papst auftritt. […]
Gut gelungen sind die Charaktere, am besten die Figur der Milli. Sie ist Mexikanerin, Sanspapier, und arbeitet als Haushaltshilfe beim Pfarrer. Sie flieht vor ihm, weil er ihr nachstellt und ihr droht, sie werde abgeschoben. Milli findet Zuflucht beim alten Wilson, dem Bruder des Papstes; Nußbaumeder betont, dass sie als Hure angesehen wird, weil ihr Kind unehelich geboren wird. Maria und Joseph gehören zu den Erniedrigten und Beleidigten - wenn sich Reiche und Einflussreiche ihrer Geschichte bemächtigen, ist das eine weitere infame Enteignung der Entrechteten.
Die Parteinahme für die Unteren wird unterstützt durch die Zeichnung der da oben. In der Tradition vor allem angelsächsischer Dramatiker betont Nußbaumeder die Heuchelei des Pfarrers: er liebt seine Nächsten nicht, er will sie beherrschen.
Burkhard C. Kosminski, Mannheims Schauspieldirektor, inszeniert klug und zurückhaltend. Das dient der Übersicht und Kosminski hält sich das Pulver trocken: so kann er am Ende dramatisch steigern und bewahrt die zündendsten Ideen für groteske Effekte für den Schluss. Ganz im Sinn des Autors wirkt die Uraufführung von „Jetzt und in Ewigkeit“ wie ein szenischer Kommentar zum Besuch des neuen Papstes in Deutschland. Weder Kosminski noch Nußbaumeder glauben offenbar an eine neue Spiritualität, die viele Kommentatoren erkannten, sie sehen vielmehr alte Verhältnisse fröhlich Urständ feiern. Das Ensemble spielt famos, jede Rolle ist treffend besetzt. Überragend Peter Rühring als heuchlerischer Pfarrer, der Mime verbindet holzschnittartige Typisierungen mit psychologischer Wahrscheinlichkeit. Dies ist wahrlich kein Theater für Eminenzen.
Das Stück erinnert in seiner Tendenz und bajuwarischen Unverblümtheit an Franz-Xaver Kroetz. Christoph Nußbaumeder ist geistig sein Enkel. Entsprechend hoch sind die Hoffnungen, zu denen der begabte Nachwuchsdramatiker berechtigt.

Deutschlandradio

 

In seiner Inszenierung setzt Kosminski auf Komödienpräzision und die parodistisch-burlesken Elemente des Stücks. Die weite, sich nach hinten ins schwarze Nichts verlierende Bühne von Florian Etti ist eine mit rohen brettern ausgeschlagene Riesenkiste; ein alter Wohnwagen, ein Hometrainer und die Pfarrstube mit Kruzifix müssen im offenen Geschehen genügen. Alle Darsteller sind immer auf der Bühne, die Szenen gehen flott und fließend ineinander über […] Spielfreudig, klug und komisch das Ensemble: Ralf Dittrichs Wilson ist ein misanthropischer Brummbär, Reinhard Mahlbergs Dick Kaiser ein verschlagenes Weichei, Gabriela Badura als Bürgermeisterin ist unfassbar blond und agiert im lila Anzug wie ein Zirkusdirektor, Almut Henkel als ihre Tochter Gina ist noch blonder, wunderbar doof und vermasselt natürlich am Ende das Jesus-Mord-Komplott. Der seit langem einmal wie­der ans Nationaltheater zurückgekehrte Peter Rühring spielt Pfarrer Fletcher als fahrigen Gottesmann mit ge­läufigen Glaubensargumenten und ge­fährlicher krimineller Energie. Nadine Schwitters Milli, das vom Pfarrer an Wilson weitergegebene Objekt der Er­bauung, ist glücklicherweise ein star­kes Mädchen und überlebt so die ziem­lich blutige Sturzgeburt ihres Jesuskin­des. Und wie jede gute Komödie kriegt die Geschichte natürlich ihr glückli­ches Finale mit Papst und Geld und Feuerwerk. […]

Die Rheinpfalz

 

 […] Im lang anhaltenden Schlussapplaus für eine wirklich großartige Ensemble-Leistung durften sich auch Hausautor Christoph Nußbaumeder und das Inszenierungsteam um Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski gut angenommen fühlen. […]
Ungewöhnlich ist mit neun ergiebigen Rollen schon der Umfang des Personals. Dazu kommen gute Dialoge, die geschickt aufgebaute Spannung und das unerwartet heilsame Finale.
Im Simultanbühnenbild Florian Ettis, das optisch von einem wuchtigen Kreuz aus Edelstahl mit an Grünewald erinnernder Christusfigur beherrscht wird, lässt Burkhard C. Kosminski die in drei Akte gegliederte Szenenfolge ohne Unterbrechung durchlaufen.
Am meisten imponiert die differenzierte Personenführung. […] Die Besetzung ist großartig. Neben Gabriela Badura, höchst verführerisch im lila Satinanzug (Kostüme: Sabine Blickenstorfer), als mit allen Waffen einer reifen Frau kämpfenden Burgermeisterin, glänzen Ralf Dittrich in der Rolle des gottlosen, aber ehrlichen Wilson, der seinen Einfluss auf die Stadt skrupellos ausnutzt, um sich ein spätes Glück zu sichern. Und als Gast Peter Rühring (vor 30 Jahren unter Jürgen Bosse fest im Mannheimer Ensemble), der salbungsvoll den nur mühsam unstatthafte Gelüste und unbändigen Zorn in Zaum haltenden Pfarrer Fletcher spielt. Almut Henkel wirkt als nur scheinbar naives Töchterlein der Bürgermeisterin, die der Mutter den Liebhaber wegschnappt, ganz schön gerissen, während Nadine Schwitter als angehende Mutter des neuen Erlösers ganz anmutige Unschuld ist. Reinhard Mahlbergs Drugstore-Besitzer Dick Kaiser gehört ebenso wie der umtriebige Chefarzt Hunter, den Sven Prietz verkörpert, zu den Wendehälsen von Riverpoint. […]

Rhein-Neckar-Zeitung

 

[…] Der 29jährige Dramatiker nahm just die Weihnachtsgeschichte und den Bethlehemischen Kindermord als „Vorwurf“ (wie Schiller sagen würde) für sein Auftragswerk als Hausautor in der Nachfolge des jungen Schiller […] er stellt in einer ebenso kurzweiligen wie turbulenten Eineinhalbstundenfarce die schmalzige Story von der Heilandsgeburt vom Kopf auf die Füße und verwebt sie geschickt mit der Erwählung eines neuen Papstes. Der ist nicht in Marktl am Inn geboren und besitzt auch in Regensburg kein „Häusl“, sondern die ganze Moritat wird kurzerhand mach Amerika verlegt, nach Riverpoint, einer kriminell-korrupten Kleinstadt am Mississippi, die die Vorzüge von Marktl am Inn und Regensburg vereint. […] Nicht nur die Devotionalien, die in Riverpoint angesichts des bevorstehenden Papsbesuchs auf einmal massenhaft verhökert werden, gemahnen an den realen Besuch des Herrn Ratzinger in Bayern im September 2006 […] Überhaupt die ganze geballte Hysterie, der monatelang generalstabsmäßig geschürte Irrsinn – Nußbaumeder hat ihn durch Verfremdung erst richtig sichtbar gemacht. Ein wunderbarer Weihnachtswestern vor dem Herrn. Päpste kommen und gehen, bleiben wird nur ein Theaterstück: „Jetzt und in Ewgkeit“.

konkret