Herbert Achternbusch

Kopf und Herz

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Ausstattung und Bühne:
Florian Etti
Kostüme:
Ute Lindenberg
Dramaturgie: Volker Bürger
Musik:
Willi Haselbek
Licht: Nicole Berry

Uraufführung: 30. März 2006
Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Rüdiger Hacker
Ragna Pitoll

 

 


Pressestimmen:

Da ist sie wieder: Achternbuschs Suada. Haltlos, atemlos. München, die Stadt des Nationalrausches, die Stadt der Feldherrnhalle, die hier natürlich nicht die Kopie von irgendetwas Luftigem aus Italien ist, sondern der Ort des Marschierens. Und dann noch die Berge, selbstverständlich grauenhaft: „Nieder mit den Alpen, freier Blink aufs Mittelmeer!" Oft schon gefordert, nie eingetreten. […]
„Lass die Frauenkirche schmelzen und die Isar kochen. Ich verfluche dich, Scheißmünchen, ich verfluche dich mit deiner Gewöhnlichkeit, alles steht da, wie eben verloren, das Isartor wie hingeschissen, das Sendlinger Tor wie nicht ausputzt, und das Kaufinger Tor steht da wie ein Arschloch, das den Durchgang der Menschen nur benutzt, sich an ihnen abzuputzen.“
Es ist still geworden um den einst so lauten Herbert Achternbusch. Ein Jahr und noch ein bisschen länger ist es her, da erschienen in den großen Zeitungen Artikel, in denen ein "Vergessener aufgespürt wurde m seiner österreichischen Waldeinsiedelei, die auch eine Eselei ist, weil er dort tatsächlich rumsitzt und Holzesel bastelt. Jeden Tag einen. Der Berserker von einst, der Atlantikschwimmer, der Bierkämpfer, der Don Quichotte im Kampf gegen die CSU – er sitzt nicht mehr in den beiden Münchner Wirtshäusern, in denen er tatsächlich immer seltener zu sehen ist, nein, er hockt klausnerisch in seinem Zauberhäusl und malt und träumt und schimpft nur noch auf Anfrage, wenn einer vorbeikommt und ein paar hingefluchte Sätze von ihm aufschreibt. […]
Jetzt ist Achternbusch wieder da. […] „Kopf und Herz“ passt in die mit Uraufführungen gespickte erste Saison des neuen Mannheimer Schauspieldirektors Burkhard C. Kosminski. Auf der Bühne des Nationaltheaters beginnt das Stück mit der eingangs geschilderten Suada. Kosminski, hinreichend München- und damit auch Achternbusch-erfahren, hat sie vom Ende des Textes an den Anfang gestellt und angereichert mit ein paar Achternbusch-Evergreen- Sätzen. Damit es gleich mal so richtig hineinknallt in die luftig wehende Volksmusik, die das Publikum, das gleichfalls auf der riesigen Bühne sitzt, umwölkt. Um den Mannheimern gleich mal klar zu machen, was das für einer ist, der Achternbusch, von dem man am Main vielleicht eine mythisch-pittoreske Vorstellung hat, aber mehr auch nicht. Und deswegen muss erst mal der Groll des Südens ausgebreitet werden.
Dabei ist „Kopf Und Herz" eine monologische Zärtlichkeit. Eine Liebeserklärung des Dichters an seine Mutter, nicht die erste ihrer Art, aber das Oeuvre des Herbert Achternbusch war immer schon seine eigene Schöpfungsgeschichte, das 1. Buch Herbert. „Kopf und Herz" ist ein sich selbst gebärender Sturzbach. Es erzählt die Lebensgeschichte der Louise Achternbusch, der das Kind, das ihr ein Hallodri gemacht hat, ungelegen kommt. Doch der ungeborene Kleine ist zäh. Er wehrt sich genauso dagegen, die schützende Mutterhöhle zu verlassen, wie gegen das Eindringen der tödlichen Stricknadeln. Er weiß schon im Mutterleib, dass er ein Genie ist. Ein Heimatgeschichtengenie, vernarrt in seine Mutter, die „Lebensschauspielerin“.
Der Regisseur Kosminski löst die vielen Rätsel, die der Monolog stellt, im Dialog auf, stellt mit Rüdiger Hacker den alten Achternbusch auf die leere Bühne, der mit seinem Leinenanzug ausschaut wie der Franz Xaver Kroetz […]. Groß wird der Abend durch Ragna Pitoll […] da atmet ein einziges Leben die Luft des ganzen 20. Jahrhunderts.

Süddeutsche Zeitung

 

[…] das Ausagieren der sanften Melancholie, mit der ein älterer Herr sich an die Jugendversion seiner toten Mutter schmiegt, sie mit Geist und Trotz umwirbt und zuguterletzt für sich gewinnt. Während Ragna Pitoll […] gegen den „Gartenzwerg“ giftet, der sie „fett“ macht, streicht Hacker die Reling entlang, gießt sich ab und zu nach, zuckt bei Pitolls Schlägen auf ihren Bauch zusammen. Er singt sich schelmisch in ihren Schoß, um dort wie ein kleiner Bub zu ruhen, oder spielt für sie mit aufgesetztem Lampion den Mond. […]

Theater heute

 

„…- Umjubelter Erfolg für die Uraufführung von Herbert Achternbuschs „Kopf und Herz“: Das Gespräch zwischen Achternbuschs Mutter Louise und dem ungewollten Kind in ihrem Bauch hat das Publikum im Mannheimer Nationaltheater am Freitagabend mit lang abhaltendem Beifall und „Bravo“-Rufen aufgenommen. …“
„…Die Inszenierung von Burkhard Kosminski zeigt das  ungeborene Kind mit silbergrauem Haar, in einem cremefarbenen Sommeranzug mit weißem Halstuch gekleidet, und Weißbier trinkend ein Lebemann, der nicht leben soll. Das Bühnenbild ist karg, das Licht zumeist kalt und hart, die sparsam dosierten melancholischen Musik-Arrangements sind gespickt mit Zitaten aus der Bayrischen Volksmusik. Die Missgunst zwischen der Mutter und dem ungewollten Kind.
Doch trotz aller bitterbösen Wortwechsel, körperlicher Gewaltandrohung und Anfeindungen lebt „Kopf und Herz“ von ihrer aufkeimenden Annäherung. Sie, die nicht Mutter sein will, und das Ungeborene, das geliebt werden möchte. So lässt Achternbusch den ungeborenen Sohn auf Sokrates verweisen: „ Der hatte Gefühl: Kopf und Herz! Der bringt jeden soweit, sich zu fragen: Für was leb ich denn eigentlich?“…“

dpa

 

„..In seinem 2005 veröffentlichten Monolog „Kopf und Herz“, den Mannheims Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski jetzt auf der Raumbühne des Nationaltheaters zur Uraufführung brachte, hat sie nicht mehr so viel zu sagen. Der Regisseur hat das sechsteilige Einpersonenstück mit Dramaturg Volker Bürger zu einem Dialog umgeformt: eine zornige Schwangere im Gespräch mit ihrem ungewollten Kind. Das Konzept geht auf, und der grantelnde, greise Sohn (Rüdiger Hacker) ist eine Vereinfachung und dennoch auch echte Bereicherung für das szenische Geschehen, das Theater verdaulicher und greifbarer macht. … Dennoch führt der Abend – auch durch sinnige Textumstellungen und Striche – eindrücklich vor, dass die alpine Dramatik neben der amerikanischen zur zweiten sorgsam gepflegten Spezialität des Mannheimer Schauspieldirektors reift. …“

Mannheimer Morgen

 

„…Schauspielleiter Burkhard C. Kosminski baute die Vorlage kräftig um, achte aus einer Rolle zwei und aus einem nicht unbedingt leichtfüßigen Text einen wunderbaren Theaterabend. …“

Die Rheinpfalz