Rainer Werner Fassbinder

Die Ehe der Maria Braun

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Bernd Skodzig
Musik: Matthias Schneider-Hollek
Choreographie: Ramses Sigl
Dramaturgie: Ingoh Brux

Uraufführung am 11. 10. 2003 im
Düsseldorfer Schauspielhaus

Besetzung
Maria Braun: Bettina Engelhardt
Hermann Braun: Matthias Leja
Oswald: Daniel Friedrich
Bill: Ronald Mkwanazi
Senkenberg: Peter Siegenthaler
Betty: Constanze Becker
Willy: Martin Schneider
Mutter: Anke Schubert
Dr. Wetzel: Artus-Maria Matthiessen
Dr. Martin: Tim Egloff
Amerikaner: Till Firit

 


Pressestimmen:

Die Gefühle verschlissen
„Die Ehe der Maria Braun“ am Düsseldorfer Schauspiel

„Das Spiel ist aus, aus, aus! Deutschland ist Fußballweltmeister!“ Tausendfach zitiert, hieß das auch und endlich: „Wir sind wieder wer“. Im Düsseldorfer Schauspielhaus begleitet der Triumphschrei von 1954 ein ganz anderes „Aus“ – das der an Aufstieg und Geld verkauften Gefühle. Denn „Die Ehe der Maria Braun“ , „einen halben Tag und eine Nacht“ gelebt, ist nach Jahren endgültig am Ende. Maria und ihr Hermann sind sich fremd geworden.
So steht ein äußerer Sieg auch für eine innere Niederlage und reißt in Burkhard C. Kosminskis Inszenierung einer von ihm und dem Dramaturgen Ingoh Brux erarbeiteten Theaterfassung des Fassbinder-Films von 1976 diese Diskrepanz schmerzlich auf.
Maria (blendend: Bettina Engelhardt) und Hermann (Matthias Leja) heiraten in den letzten Tagen des Krieges. Noch in die Trauung hinein kracht eine Bombe. Wenig später singt ein Kind das Lied vom „Maikäfer“. Doch nicht nur „Pommerland ist abgebrannt“.
Kurz und knapp steigt Kosminski ein ins Melodram der verlorenen Gefühle und verratenen Hoffnungen. Dann dreht sich die doppelstöckige Bühne, und die Nachkriegswelt wird Bild – in einer Mischung aus Hotelfoyer und hoch ragender Fabrikhalle, Wartehalle und Bar. (Bild: Florian Etti).
Hier löffeln Menschen eine Suppe, stürzt sich ein Mann auf die Zigarettenkippe, die ein Schwarzer wegschnippt, fragen zwei junge Frauen mit Papptafeln auf Brust und Rücken nach dem Verbleib ihrer Männer – Maria nach Hermann Braun, ihre Freundin Betti (Constanze Becker) nach Willi Kluge. Alle treiben hoffnungslos wie in einer Endzeitwelt dahin. Nur Maria strebt spürbar raus aus der Lathargie, und sei es bloß im Tanz – mit Bill, dem Schwarzen (Ronald Mkwanazi). Zuerst ist es nur Spiel, Flucht aus der Einsamkeit.
Doch als Willi (Martin Schneider) zurück aus der Gefangenschaft, vom angeblichen Tod seines Freundes Hermann berichtet, wird aus dem Spiel verzweifelter Ernst.: Während eines Gerangels zwischen Bill und dem doch heil nach Hause zurück gekehrten Hermann erschlägt Maria den Schwarzen.
Hermann nimmt die Tat auf sich, landet im Gefängnis, und Maria startet nun durch auf dem Weg zu einer erfolgreichen Frau. In Oswalds (Daniel Friedrich) Textilfabrik macht sie Berufs- und Bett-Karriere, verrät damit ihre Gefühle, wird glatt und kalt- und sehnt sich doch, wie in einem Märchenland, nach Hermann und seiner Liebe.
Als der endlich zurück kommt, sind die Gefühle im Alltagskampf aufgebraucht, „das Spiel ist aus“, verloren.
Kosminskis Inszenierung, die nicht vor großen Bildern und Gefühlen zurückschreckt, entwirft in kleinen und großen, grellen und leisen Szenen ein zupackendes Seelen-Panorama der Stunden und Jahre nach einer Katastrophe, die die Seelen nachhaltig störte, ja zerstörte und in deren Folge diese Zerstörung weiter ging. Einsamkeit als Preis des Erfolges. Sind Fassbinders Filme auch deswegen, wie es scheint, auf dem Weg zu einer Renaissance – auf der Theaterbühne? Langer, sehr intensiver Applaus.


Kölnische Rundschau

….“Die Details stimmen einfach: Signaturen des Alltags jener Zeit.
Auch der Rhythmus stimmt. Ruhig entwickelt sich das Spiel, mit Raum für Dialoge. Der starke Text der Vorlage kommt glänzend zur Geltung. Die ratlose Gelassenheit  des Personals verbietet Tempo und Hektik, Kosminski respektiert das. Seiner langsamen Führung verdanken sich tiefenscharfe Blicke. Darin liegt das stärkste Moment des Abend: dass die komplizierten psychischen Befindlichkeiten genau gezeigt werden..“
…“Am Ende, wenn Maria und Hermann sich wiedertreffen, ist es für beide zu spät. Irreparable Schäden am Gemüt.
4. Juli 1954: Maria und Hermann stehen Hand in Hand verloren da, ringsum erster Wohlstand. In Bern wird abgepfiffen. Dann der heisere Schrei des Hörfunkreporters: „Aus- aus – aus – aus! Das Spiel ist aus!“ Keine Explosion, wie in Fassbinders Film. Eine Implosion. Ein innerer Zusammenbruch.
– Starker Beifall.


Rheinische Post

 

…“Die Uraufführung der Bühnenfassung des Rainer Werner Fassbinder-Stücks „Die Ehe der Maria Braun“ feierten die Zuschauer Samstag Abend mit Beifalls Stürmen. Bravourös der offizielle Start in die Spielzeit 2003/04 am Düsseldorfer Schauspielhaus.
…“Die Kritik an Deutschland im Aufstieg verpackt Regisseur Kosminski in Schlagern von Zarah Leander bis hin zu den „Caprifischern“. Kabarett-Einlagen, bei denen das Lachen aber im Hals stecken bleibt.
….““Die Ehe der Maria Braun“ – sehr empfehlenswert!

Bildzeitung

 

„…Dennoch bleibt es ein riskantes Projekt, ganz zu schweigen von dem komplizierten Verfahren, die Rechte von Märthesheimer und der Fassbinder-Stiftung zu bekommen. Doch Zelluloid-Werke auf die Bretter zu hieven, das ist das Spezialgebiet des gebürtigen Württembergers und Selfmademan Kosminski, der in Los Angeles und New York Film und Theater studierte. Vor vier Jahren brachte er in Dortmund „Das Fest“ heraus und wurde prompt zum NRW-Theatertreffen eingeladen. Am Gustaf-Gründgens-Platz gehört er als Chefregisseur seit drei Jahren (neben Intendantin Anna Badora und Chefdramaturgin Rita Thiele) zum neuen Erfolgs-Team, das Düsseldorf zurück in die erste Theater-Liga führte, zumindest in NRW.
Furore machte Kosminski besonders bei der Jugend, mit den Uraufführungen „39,90“, „Dancer in the Dark“ und einer frech frischen „Kabale und Liebe“. Vorstellungen, die Schüler und Studenten anlocken und meist ausverkauft sind….“

Welt am Sonntag

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