Anton Tschechow
Die Möwe

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik:
Hans Platzgumer
Dramaturgie: Robert Koall

Premiere am 29. Januar 2011,
Schauspielhaus Dresden

Besetzung:
Irina Arkadina: Olivia Grigolli
Konstantin Trepljow: Benjamin Pauquet
Pjotr Sorin: Albrecht Goette
Nina Sarjetschnaja: Mila Dargies
Ilja Schamrajew: Lars Jung
Polina Andrejewna: Hannelore Koch
Mascha: Antje Trautmann
Boris Trigorin: Tom Quaas
Jewgenij Dorn: Holger Hübner
Semjon Medwedjenko: Matthias Reichwald

 


Pressestimmen:

Am Staatsschauspiel Dresden wurde Tschechows "Möve“ neu inszeniert
Leben, Leiden, Weitermachen
Warum Anton Tschechow sein Stück "Die Möwe" eine Komödie genannt hat, leuchtet nicht jedem ein. Da scheitert eine junge Schau­spielerin, stürzen zwei in eine un­glückliche Ehe, stirbt ein Schriftsteller. Und doch schwebt über allem so eine luftig-sommerliche Stimmung. Manchmal scheint es, als wäre all die Tragik nur ein klei­ner Zeitvertreib - eben so viel, wie in ein kleines, kurzes Menschenle­ben passt.
Wenn im Großen Haus des Dresdner Staatsschauspiels die neue Inszenierung der Tsche­chowschen "Möwe" beginnt, sieht der Zuschauer zunächst ein ganz anderes Bild. Da lässt Regisseur Burkhard C. Kosminski Russen-
Pop in voller Lautstärke dröhnen und die Schauspieler mit Karacho und im Tanz auf die Bühne stür­men. Doch schon über der nächs­ten Szene scheint die Stille eines Sommernachmittags weit draußen auf dem Land zu liegen. Und da kommen sic alle zusammen auf dem russischen Gut: die Schau­spielerin Trepljowa (Olivia Grigolli), ihr Sohn Kostja (Benjamin Pauquet), der alte Gutsbesitzer So­rin (Albrecht Goette), Schriftsteller Trigorin (Tom Quaas) und die an­deren. Eine kleine Theateraufführung im Grünen soll geboten wer­den, zunächst sind ja auch alle heiter, doch hat hier jeder sein Päckchen voller Sorgen, Lebens­überdruss oder enttäuschter Hoff­nungen zu tragen.
Mutter und Sohn lieben und has­sen sich, Zuneigung wird nicht erwidert. Es gibt manche
manche Hoffnung auf eine gute Zukunft, doch sie wird enttäuscht werden. Die Dresdner Inszenierung setzt ganz auf die Schauspieler. Hier gibt es keine ex­travaganten Effekte, um das Am­-Leben-Leiden und das stille Sich­Arrangieren mit drei Ausrufezei­chen auf der Bühne zu zeigen.
Viele Szenen berühren: Ma­scha (Antje Trautmann). die vom angebeteten Kostja nicht gewollt wird, singt ein Lied von der Liebe und bricht es ab. Die Schauspiele­rin Trepljowa sagt dem Schriftstel­ler Trigorin, dass sie ohne nicht le­ben kann, als der zu einer anderen gehen will. Der alte Sorkin hat Angst, auf dem Land von aller Welt abgeschnitten und vergessen
zu sein. In solchen Momenten erinnert die Inszenierung in Bilder, die ans Herz gehen, an den Ernst, der ein luftig-leicht geglaubtes Leben manchmal doch so schwer macht.
(Meißner Tagblatt)

 

Vom ewigen und vergeblichen Warten auf das Irgendwas.Tschechows "Möwe“ im Dresdner Staatsschauspiel beschreibt den Reigen menschlicher Sehnsüchte in Zeiten des Umbruchs.
Anton Tschechow hat immer Komödien schreiben wollen. Zu seinem Leidwesen wurden seine Stücke zwar fast immer als Tragödien interpretiert, ihm selbst aber ging es um den schmalen Grat zwi­schen Lethargie und Hysterie, auf dem er die Komik fand. Regisseur Burkhard C. Kosminski hat mit Tschechows "Die Möwe" in Dres­den eine Inszenierung erarbeitet, in der auch der Zuschauer sich zwi­schen diesen Gegensätzen hin- und hergeworfen fühlt. Am Sonnabend war Premiere am Staatsschauspiel. (…)
Regisseur Kosminski, Schauspiel­direktor am Nationaltheater Mann­heim und in Dresden vielleicht noch von seiner Arbeit „Des Teufels General" bekannt, setzt auf die Brüche zwischen Komik und Tragik. Pumpende Russen-Folkpop platzt unvermittelt in die Szenerie und lässt alle wie von Sinnen über die Bühne tanzen, eigentlich aber trotzig gegen die Leere anstampfen. (…)
Die Euphorie ist vergangen
Im letzten Drittel des Stückes ist die Euphorie endgültig vergangen:
Wenn die Musik aufspielt, tanzt niemand mehr. Alle sind sie krank, verletzt oder desillusioniert. Die Dresdner „Möwe" zeigt mit beredten Bildern, was passiert, wenn die Welt sich verändert und die Menschen nicht mitnimmt. Sie ist damit aktueller denn je.
(Sächsische Zeitung)

 

Durch eigenes Unvermögen gescheitert
(…) Das Nebeneinander versuchen die Figuren immer dann zu durchbrechen, wenn sie die einzigen Kulissen des Bühnenbildes, Stühle und herabhängende Platten ohne Sinn bewegen. Die zwischen den Szenen einsetzende Musik, die in der "Möwe" mit russischer Folklore durchzogen ist, holt die Akteure nicht nur aus ihrer Lethargie, sondern sorgt auch für Zeitsprünge. Am Ende erstarrt diese Bewegung als letzter Hoffnungsschimmer. Die Menschen schaffen es nicht auszubrechen, sind aus unterschiedlichen Gründen vom Leben enttäuscht. Für Kostja endet das tödlich.
(Freie Presse)

 

Präzise zelebrierte Elegie
Burkhard C.Kosminski inszenierte Tschechows Möwe im Dresdner Schauspielhaus

(…) Was der Inszenierung von Burkhard C. Kosminski fehlt, ist ein überzeugender, faszinierender Mittelpunkt. Was sie sehr heutig macht, ist das schreiende Missverhältnis zwischen den Generationen, der älteren, saturierten, die ihr Leben gelebt hat und je nach Vermögen Erfolg und Genuss nachjagt, und der jüngeren, die einfach nicht auf die Beine kommt in einer Perspektivlosigkeit, die halb selbst verschuldet, halb von den lieblosen, eigensüchtigen Älteren aufgezwungen ist. (…)
(Dresdner Neueste Nachrichten)


Schauspiel: Mannheims Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski inszeniert in Dresden Anton Tschechows „Die Möwe“
Ohne Liebe und Licht, Luft und Leben

(…)
So leergefegt wie bei Tschechow das Herz, so leer ist in Dresden die Bühne. Florian Etti hat einen düsteren Kasten aus Wandelementen entworfen, in dem nur eine rotgemusterte Tuchbahn etwas Leben signalisiert. Doch die Wandstücke lassen sich bewegen: kippen wie Dominosteine, schräg stellen wie Dachfenster. Doch Licht, Luft und Leben wollen trotzdem nicht hereindringen in diese Sommergesellschaft, in der jeder woanders sein möchte und trotzdem dableiben muss: Die Schauspielerin Irina (Olivia Grigolli), die niemanden neben sich duldet, schon gar nicht ihren Sohn Kostja (Benjamin Pauquet), der Schriftsteller werden will und Nina (Mila Dargies) liebt. Die aber will nach Moskau, zur Bühne und noch mehr zu Trigorin (Tom Quaas), dem hochmütigen Schriftsteller.
Kosminskis Inszenierung beginnt wie mit einem Paukenschlag: Licht aus, Musik an. Aus den Lautsprechern klingt ein bassgrundierter Kasatschok, zu dem die Schauspieler auf der Bühne tanzen. Diese russischen Klänge (Musik: Hans Platzgumer) läßt Kosminski immer wieder abspulen, um das Stück zu verorten, das überall spielen könnte. Tschechows Personal trägt heutige Kleidung und verteilt sich in wechselnden Konstellationen auf den Stühlen, die das karge Bühnenbild noch hergibt. Die Stühle werden verrückt, die Wände mit Besen bewegt - doch in dieser Szenerie spult sich das Stuck wie ein langer, breiter Fluss ab. Anfangs hat das Publikum in dieser Komödie, als die Tschechow sein Stück sah, noch einiges zu lachen, doch dann wird es immer stiller. (…)
(Mannheimer Morgen)