Theresia Walser
Monsun im April
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Musik: Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie: Ingoh Brux
Uraufführung: 13. Dezember 2008
Nationaltheater Mannheim
Besetzung:
Udo : Klaus Rodewald
Petra : Ragna Pitoll
Majas Mutter : Gabriela Badura
Maja : Isabelle Barth
Frau Gust : Anke Schubert
Paul : Sven Prietz
Herr Firm : Edgar M. Böhlke
Pressestimmen:
Monsun im April - in Mannheim entwirklicht Burkhard C. Kosminski das Stück von Theresia Walser
Schwebeleicht verrätselt
Frau Firm ist verschwunden. Einfach so. Von heute auf morgen. Alle sprechen darüber. Doch bei näherem Hinhören zeigt sich: Die Verbleibenden reden gar nicht wirklich über die Abwesende, sondern weiter über sich selbst. Sie warten auch nicht auf die Verschwundene, sondern warten auf sich selbst. Und wieder sind wir mitten in einem typischen Theresia-Walser-Kosmos: Eine Runde wunderlicher, verlorener Figuren, denen nicht nur Frau Firm, sondern gleichsam eine generelle Mitte fehlt. Die Personen umkreisen sich und diese Leere. Die Zeit dreht sich um sich selbst.
„Monsun im April“ heißt Theresia Walsers neues Stück, in dem manche Figuren behaupten, es sei Spätsommer, wieder andere es sei Herbst. Während im Textoriginal noch von einem Altersheim und einem Büro die Rede ist, fragmentiert Burkhard C. Kosminskis Uraufführungs-Inszenierung auch diese letzten Anklänge an irgendeine Realität.
Zartbittres im Schwebezustand
Die Bühne ist leer, nur ein Kleiderständer mit gelbem Mantel und ein Arbeitssessel künden von der abhanden gekommenen Frau Firm. Wir sehen Menschen, die vereinzelt im Raum stehen, meist in größtmöglicher Entfernung voneinander. Und Kosminski ergänzt die Szene mit Versatzstücken aus dem Text: Am Rande steht ein altes Klavier, und aus dem Off klingen fahle Schubertlieder („Fremd bin ich eingezogen“). Kurz, die Regie rückt das Personal deutlich weg von der Wirklichkeit, enttarnt das Ganze als pures Gedankenspiel, wodurch Walsers zartbittere Gesellschaftssatire in eine Art kippligem Schwebezustand vorüberzieht.
Damit nicht alles vollends abhebt, sorgen Spurenelemente aus Boulevard, Krimi und Film für die gelegentliche Erdung der seltsamen Hinterbliebenen-Runde. Maja, bei Isabelle Barth eine resolute junge Business-Frau in strammen Reithosen, bereitet sich schon eifrig darauf vor, die Stelle ihrer verschollenen Vorgesetzten Frau Firm zu übernehmen. So hat sie kaum ein Ohr für ihre noch im Wegdämmern wortmächtige Mutter (Gabriela Badura), die hellsichtig böse Altersheim-Prognosen von sich gibt („Ab jetzt geht’s wieder abwärts“) und in weißer Abendrobe noch immer bedauert, dass Tochter Maja keine Sängerin geworden ist.
Maja hat auch keinen Nerv für ihren langjährigen Geliebten und Indien-Rückkehrer Paul (Sven Prietz), der wie ein Weltanschuungs-Junkie ständig von seinen Erfahrungen und Utopien faseln muss. Frau Gust (Anke Schubert) schließlich, die Ex-Sekretärin der Verschwundenen, verteidigt den vakanten Platz ihrer Herrin mit ständigem Gerede von baldiger Rückkunft.
Maja feilt bereits an einer Firm-Nachfolge-Rede und trainiert (in einer schrillen Pantomime zu fettem Big-Band-Jazz) schon mal aggressive Karrierefrau –Posen – eine starke Regiezutat -, als ein bizarres Paar die Aufstiegsfixierte bremst: Udo (Klaus Rodewald) und Petra (Ragna Pitoll), zwei schräge, laszive, erpresserische Outlaws, behaupten, sie hätten angeblich in einer gemeinsam durchzechten Nacht Frau Firm „abgeschlachtet“ – auf Wunsch Majas. Mittlerweile bekennt auch Herr Firm, seine Frau „umgebracht“ zu haben. Nur Maja, die Verdrängungskünstlerin, singt ein scheinheiliges Loblied aufs Glück des Verschwindens – als besonders raffinierte Form eines „gelungenen Lebens“.
Kosminski verrätselt Walser-Welt
Das alles inszeniert Kosminski nicht in somnambuler Schwere, sondern in einer plaudernden Leichtigkeit. Die Welt wird hier nicht zerschreddert, sondern allenfalls verrätselt – scheinbar sichere Sichtweisen werden höchstens gekitzelt und irritiert.
Und immer wenn der mit Merkwürdigkeits-Binsenweisheiten garnierte Tonfall in allzu harmlose Belanglosigkeit abzudriften droht, baut Theresia Walser kleine Stolpersteine und Brechungen ein. Etwa, wenn die Mutter sich an Majas Geburt erinnert – quasi im Vorgriff auf deren spätere Entwicklung: „Als du zur Welt kamst,….,war es so kalt, dass den Kühen die Ohren abgebrochen sind.“ Zudem lässt Walser wieder typische Skurrilwortkonglomerate aufblitzen, wenn von „Weltuntergangsverdunkelungen“ und „Menschheitsverbesserungsdeppen“ die Rede ist.
Was bleibt? Vielleicht die zeitkritische Anamnese einer Sozialgemeinschaft im Lähmzustand. Aber auch ein eher heiteres kriminologisches Verwirrspiel, ein schwebeleichtes Panorama verdrängter Mordgelüste. Denn am Ende spaziert eine junge Frau über die Bühne, schnappt sich den gelben Mantel und stolziert von dannen. Und Regisseur Kosminski lässt die Verbliebenen zu schwarzen Silhouetten erstarren. Frau Firms Comeback? Möglich. Dann wäre sie, die Verschwundene, die einzig lebendige Person, die nur kurz mal weg war. Und die Verbliebenen wären samt ihrem Geplapper nur Figuren eines temporär aufblühenden, fantastischen Wunsch-Traum-Spiels, das wir eben gesehen haben.
nachtkritik.de
„…Die dramatische Kunst ist gerade mal wieder auf der Flucht vor dem Drama. Und erst wenn der letzte Dramaturg seien Hände an den letzten Bestseller und an das letzte Drehbuch gelegt hat, werden sie feststellen, dass sie in eine Sackgasse gerannt sind. Bis dahin führen die Wege des deutschen Gegenwartsdramas (demnächst noch mit Uraufführungen von Albert Ostermaier, Gesine Danckwart und Dietmar Dath) wieder mal dorthin, wo immerhin schon vor mehr als 200 Jahren ein anderer junger Autor mit seinem Erstlingswerk „Die Räuber“ reüssierte: nach Mannheim. …“
Die Welt
„…Die Komödie einer Karriere ohne Leiche: Theresia Walsers rätselhafter „Monsun im April“, amüsant rätsellos uraufgeführt in Mannheim….“
„…Im Nationaltheater Mannheim, wo jetzt Schauspielchef Burkhard C. Kosminski die Uraufführung des „Monsuns im April“ inszenierte, wird aus Walsers Krümmungen eine Gerade, das Fragezeichen zum Ausrufezeichen. Das Ungefähre zum Bestimmten. Der Abgrund zum Parkett. ….“
„..Aber wenn diese Eindeutigen sich am Ende darüber in die Wolle kriegen, wem denn nun Ehre gebühre, die Frau Firm umgebracht zu haben, wem deren Verschwinden denn nütze und dass es toll sei, dass man ob solch eines Umstandes ja doch ganz wunderbare Schuldgefühle entwickeln könne, dann kriegt das Ganze doch noch den zeitgeistigen Hirnriss, der einer Komödie zusteht, in der die Lebenden die Toten darum beneiden, dass sie ihnen ewig auf den Geist gehen. Amüsierter Beifall. Die Autorin verbeugte sich kurz, der Regisseur länger. Stimmt so….“
Frankfurter Allgemeine
„…Indem er die Zuschauer auf die Bühne setzt, greift Kosminski die Theatermetapher auf, mit der Theresia Walser spielt. Sie will ja zeigen, dass wir alle im Casting des Lebens die schlechten Rollen abbekommen. Und wenn hinter der mit weißem Stoff abgehängten Rückwand das Licht angeht und der leere Zuschauerraum sichtbar wird, durch dessen Reihen einsam eine Frau mit Blumenstrauß irrt, hat das durchaus die Magie alles Dysfunktionalen. …“„…Ohne sich auf die Pointe draufzusetzen, gelingt es ihnen, das zarte Sprachgespinst im Leben zu verankern, mal mit madamigem Witz wie bei Anke Schubert als mannstolle Büronudel Frau Gust, mal onkelhaft sonor wie bei Edgar M. Böhlke als liebeserpresserischer Herr Firm, dann wieder mit schön direktem Aplomb wie bei Gabriela Badura, die als Majas Mutter im Brautkleid durch die Flure des Altenheims geistert. Ragna Pitoll und Klaus Rodewald spielen das Stalker-Pärchen Petra und Udo in Pelzmänteln, die ihr teuflisches Wesen andeuten, und sind ein bestens aufeinander eingespieltes Team mit höllischer Menschenfresser-Routine. …“
Süddeutsche Zeitung
„..Nach „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ ist dies das zweite Mannheimer Auftragswerk der renommierten Autorin, wieder führt Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski mit leichter Hand Regie, und auch die Besetzung lässt nichts zu wünschen übrig. …“
Rhein-Neckar-Zeitung
„…Majas Schweigegeldzahlung an die Beiden zeigt Regisseur Burkhard C. Kosminski als große theatralische Geste und wunderschönes Bild: Maja steht mit ausgebreiteten Armen, den Kopf im Nacken, mitten auf der Bühne und lässt es Geldscheine regnen. …“
„…Theresia Walser zeigt sieben Menschen, die sich wie in einer Endlos-Schleife um sich selbst drehen. Sie wiederholen sich, spulen wieder und wieder die gleichen Sätze ab. …“
„…Herausragend ist die Ensembleleistung..“
Wiesbadener Tagblatt
„…Anke Schubert macht aus der Sekretärin eine gemütvolle Nervensäge, Sven Prietz aus Majas Ex-Mann einen weinerlich-renitenten Labersack, Edgar M. Böhlke aus Frau Firms Ehemann einen Ritter der traurigen Enttäuschtheit. Gabriela Badura spielt als Majas Mutter Königin Alzheimer, die mit majestätischer Selbstverständlichkeit zwischen Zeiten und Welten changiert. Da sind da noch Ragna Pitoll und Klaus Rodewald als Paar aus Brüssel, bei Walser ein ungreifbares Nichts aus Gauner und Gutmensch, hier ein Bonnie-and-Clyde-Verschnitt im billigen Pelz. Lustig wars trotzdem…“
Die Rheinpfalz
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