Anton Tschechow

Platonow (Die Vaterlosen)

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Bernd Skodzig
Choreographie: Jean-Laurent Sasportes
Dramaturgie: Ingoh Brux

Premiere am 5. 6. 2003 im
Düsseldorfer Schauspielhaus

         Besetzung:
         Anna Petrowna Wojnizewa: Esther Hausmann
         Sergeij Pawlowitsch Wojnizewa: Klaus Rodewald
         Sofja Jegorowna: Silke Bodenbender
         Porfirij Semjonowitsch Glagoljew 1: Wolfgang Reinbacher
         Kirill Porfirjewitsch Glagoljew 2 : Tim Egloff
         Marja Jefimowna Grekowa: Julia Grafflage
         Nikolaj Iwanowitsch Trilezkij: Matthias Leja
         Abram Abramowitsch Wengerowitsch: Dieter Prochnow
         Timofej Gordejewitsch Bugrow: Thomas Meinhardt
         Michail Wassiljewitsch Platonow: Andreas Grothgar
         Alexandra Iwanowna (Sascha): Lisa Hagmeister
         Ossip: Jean-Laurent Sasportes

 

 


Pressestimmen:

„In der Russendisko“
Tschechow ist zunächst kaum wiederzuerkennen und kehrt doch im Lauf des Abends ganz zu sich selbst zurück. Sein erst spät fürs Publikum entdecktes Jugendwerk „Platonow“ steht in Burkhard C. Kosminskis Inszenierung im Düsseldorfer Schauspielhaus anfangs lange im Fieber der lebenslustigen, zugleich spätkapitalistischen, bedrohlichen neuen Zeit. Russischer Rock und Pop beschallt die Bühne, und die schrill gekleideten Gutsbewohner und – gäste recken dazu rhythmisch ihre Glieder. Florian Ettis schlichte Bühne - eine geräumige Plattform, die von überdachten Gängen umgeben ist – wird immer wieder zur Russendisko; bis jeweils nach wenigen Minuten die Musik abbricht und die Tanztheater-Einlage erstarrt.
Kosminski hat die Geschichte von Platonow, dem jungen Adligen, der zum melancholischen Zyniker geworden ist, in die Gegenwart verlegt – und siehe da, das Experiment gelingt. Der Gutsbesitzer Glagoljew, der die Werte der guten alten Zeit verkörpert, tritt hier in einer mit Ehrenzeichen verzierten Uniform als Veteran des Zweiten Weltkrieges in Erscheinung. Auf wunderbar menschliche, dabei auch ein wenig verschrobene Weise biegt Wolfgang Reinbacher diese Rolle um zu einer Verteidigung des geordneten Lebens in sowjetischer Zeit.
Dem jungen Volk dagegen – auch da offenbaren sich verblüffende Parallelen zwischen den Epochen – geht es nur noch ums Geld, um Genuss sofort und überhaupt ums Ausleben des lange genug unterdrückten Individualismus. Platonow ist solch ein Mensch der neuen Zeit: Andreas Grothgar in der Rolle des charmanten, aber auch sarkastischen Verführers, der von vornherein nicht darauf hofft, dass eine Partnerschaft zwischen  Mann und Frau gelingen könnte. Das Schicksal derer, die sich in ihn verlieben, ist ihm herzlich gleichgültig, doch zeigt er sich immerhin bestürzt, als er erfährt, dass die in ihn verknallte, gerade erst anderweitig verheiratete Sofja Jegorowna (Silke Bodenbender) ihrem Mann das Verhältnis gebeichtet hat, Platonow will schließlich nichts auf ewig; auch nicht von der feschen Generalswitwe Anna Petrowna. Esther Hausmann spielt sie streckenweise so temperamentvoll, dass ihr das knappe Kleid vom Leibe zu fallen droht. Für seine biedere Ehefrau Sascha (Lisa Hagmeister) schließlich hat Platonow bloß Verachtung übrig.
Platonow würde sich gern aus einer halbherzig ausgefüllten Dorfschullehrer-Existenz verabschieden und ein neues, sinnerfülltes Leben beginnen, doch will er sich partout nicht festlegen, weder beruflich noch privat. So plaudert er sich zynisch durch seine  dörfliche Welt, bis die enttäuschte Sofja Jegorowna ihn urplötzlich erschießt.
Während in den ersten beiden Akten, vor der Pause des gut dreistündigen Abends, die zauberhaften rockigen Choreografien von Jean-Laurant Sasportes das Bild beherrschen, schließlich auch noch ein Feuerwerk zischt, vertraut die Inszenierung in den beiden letzten Akten zusehends auf die Kraft des Dialogs.
Am Ende steht das gesamte Ensemble im Regen. Ohne Ende tröpfelt Wasser auf die Bühne, die Lage rund um den gemeuchelten Platonow ist aussichtslos.
Was tun? „Die Toten begraben und die Lebenden reparieren!, stellt der junge Arzt Trilezkij lapidar fest. Und irgendwie ist das Stück aus dem quirligen 21. Jahrhundert längst in seine lähmend unbewegliche Entstehungszeit zurückgekehrt.
Lang anhaltender Applaus für eine bestechend eigensinnige Inszenierung und eine großartige Ensemble-Leistung.

Rheinische Post

 

…“In Düsseldorf lässt Burkhard C. Kosminski das auf die erträgliche Länge von drei Stunden zusammen gestrichene Mammutstück weitgehend vom Blatt spielen und unterbricht das Geschehen durch kurze, eruptive Partytänze. Kosminski hat sich mit Adaptionen von Filmen und Romanen – Vinterbergs Das Fest, Lars von Triers Dancer in the Dark, Beigbeders 39.90 – einen Namen gemacht und damit den Trend des Gegenwarttheaters mitbegründet, Theaterstoffe in anderen Kunstformen zu suchen.

Frankfurter Rundschau

 

…“In Burkhard C. Kosminskis stringenter Düsseldorfer Inszenierung (sie stützt sich auf die Übersetzung von Ulrike Zemme, Dramaturgie: Ingoh Brux) kehrt Andreas Grothgar in der Titelrolle den Zyniker heraus, der aber doch die Kraft nicht aufbringt, in aller Konsequenz seinem Lebensüberdruss ein Ende zu bereiten. Die Inszenierung ist nicht nur in der Titelrolle glänzend besetzt, sondern besticht als Ensembleleistung…“
…“Kosminski hat das Stück aus dem 19. Jahrhundert in die jüngere russische Vergangenheit verpflanzt; man spürt die unsicheren Verhältnisse nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus….“
…“Viel hat sich seitdem nicht geändert, und so bleibt der „Platonow“ – die Düsseldorfer Inszenierung belegt das – bis heute ein Zeitstück.

Die Deutsche Bühne

 

…“Im kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels reduziert und konzentriert Burkhard C. Kosminski seinen Helden auf einen Zyniker, der auf dem Weg zum Psychopathen nicht aufzuhalten scheint. Sein Platonow (Andreas Grothgar) rast, verletzt und verbeißt sich in ein Leben, dessen Sinnlosigkeit ihm bewusst ist. Und das ihn mit tödlicher Konsequenz vernichten muss – nachdem er das Leben der Frauen um sich herum auf den Kopf gestellt hat.
Am Ende liegt zwar nur er tot in den Regenlachen eines abgetakelten Hinterhofs; um ihn herum stehen aber all die, deren Leben er vernichtet hat: Ehefrau Sascha ( Lisa Hagmeister), Hausherrin und Generalswitwe Anna Petrowna (Esther Hausmann), Sofja (Silke Bodenbender) , die Platonow erschossen hat, und all die anderen, die in den Strudel seines Egoismus geraten sind….“
…“Kosminski und sein Bühnenbildner Florian Etti haben Tschechows Menschen konsequent aus dem Ambiente edler Melancholie herausgeschält und sie ihren exzessiven Gefühlen und Begierden anheim gegeben. Tschechow, in Düsseldorf ein expressiver Stürmer und Dränger, der das Stück mit gerade einmal 20 Jahren geschrieben hat, zeigt hoch schäumende Emotionen, Wutausbrüche und sexuelle Gier einer kleinen Party-Gesellschaft, die ob ihrer Introvertiertheit die reale Welt aus den Augen verloren hat und schließlich im Regen steht…“
…“Es ist aber auch ein Abend, der Tschechow als Zeitgenosse erscheinen lässt. Das Publikum zeigte sich beeindruckt: Langer, mit zahlreichen Bravos durchwebter Applaus.

Neue Osnabrücker Zeitung

 

„…die alten Klischees der Tschechow –Rezeption lässt Kosminskis Aufführung schnell hinter sich und kommt ohne Umschweife zu den neuen…"
„…Im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels setzt man auf Tempo, direkte Wirkung, Choreografie und Körpersprache…“

Theater heute

 

…“Anton Tschechows Sittengemälde „Platonow“ aus dem zaristischen 19. Jahrhundert verlegt jetzt der Regisseur Burkhard C. Kosminski in Düsseldorf in die Epoche der Perestroika.
Er kreiert einen komödiantisch-existenzialistischen Abend über die Befindlichkeit im postpostkommunistischen Russland, in der es Micky Maus ebenso geben darf wie amerikanisches Sprudelwasser. Das Ergebnis wurde bei der Premiere gefeiert: drei dichte Theaterstunden ohne eine Sekunde Langeweile….“

Westfälische Rundschau

 

…“Tschechows präzise Charakterisierung hat Kosminski ernst genommen, die Rollen treffend besetzt, das melancholische Leiden am Leben in einer Nacht komprimiert und gelegentlich ins Burleske getrieben. Mit Spielfreude antworten die Darsteller, zeigen Menschen auf der Bühne, die mit Lust das Komische im Dramatischen aufblitzen lassen und bieten eine stimmige, runde Ensembleleistung….“

Neue Rhein Zeitung

 

„…Die Qualität dieses modernen psychologischen Realismus und Stimmungsdramas: Kosminski fand für alle Rollen die passenden Schauspieler….“

Westfälischer Anzeiger

 

„…Mutig versetzt der Regisseur in seiner Inszenierung des Tschechow-Stücks „Platonow“ die Figuren vom Fin de Siècle an die Schwelle zum 21. Jahrhunderts. Mit Erfolg. Dem bereits in den 1880er Jahren vom damals erst 20-jährigen Schriftstellers verfasste Text schadet der Zeitsprung nicht im geringsten...“

Westdeutsche Zeitung

 

„…Bei der Düsseldorf-Premiere im Schauspielhaus werden Tschechow Puristen geschluckt haben: Burkhard C. Kosminski raffte für seine Inszenierung die Handlung auf eine lange Nacht zusammen…“
„...Klug besetzte, wunderbar stimmige Typen – eine Lust ihnen zuzuschauen…“
„…Am Ende Katzenjammer, Tod, strömender Regen. Darf man Tschechow so interpretieren? Man darf. Ein spannender Abend!...“

Bildzeitung

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