Albert Ostermaier

Schwarze Minuten

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Dramaturgie: Ingoh Brux
Musik:
Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry

Uraufführung: 15. Juni 2007

Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Swan, der alte Loup Swan: Reinhard Mahlberg
Loup, der junge Loup Swan: Taner Sahintürk
Schubart: Ralf Dittrich
Wächter 1: Thorsten Danner
Wächter 2: Sven Prietz
Loups Mutter: Ragna Pitoll
Robert, später Richter: Michael Fuchs
Jeanne: Hannah von Peinen
Bestohlene, später Roberts Braut: Silja von Kriegstein
Blot, ein Kommissar, später Beamter: Jens Atzorn
Junkie: Peter Pearce
Nachbar, Vater des Jungen: Jacques Malan
Journalist: Tim Egloff

 

 


Pressestimmen:

„Bestie Mensch" lautet diesmal das Motto der Mannheimer Schillertage, Das Logo prangt leuchtend gelb und von Sternchen umschwirrt wie eine Zirkusleuchtschrift am Nationaltheater. Der Zirkus Schiller ist wieder in der Stadt, neun Tage lang Theater, Menschen, Sensationen. Weniger Gastspiele diesmal, dafür mehr Auftragsarbeiten, Schiller-Erkundungen, Ausgrabungen […]
Dem Sonnenwirt begegnet man gleich dreimal an diesem Abend. Schiller diente der Wirtssohn, den Liebe, Armut und eine herzlose Welt erst zum Wilddieb und Häftling, dann zum Mörder und Räuber machen, als Exemplum für die Hinfälligkeit des menschlichen Wesens. Sein als Kriminalgeschichte getarnter Moralessay „Der Verbrecher aus verlorener Ehre" plädiert für die Berücksichtigung der Umstände und Zufälle, die einen aus der Bahn werfen, hinaus aus dem bürgerlichen Wohnzimmer und hinein in eine Räuberhöhle. Christian Wolf, der Sonnenwirt, ist ein Bruder des Karl Moor. Nur 23 Seiten lang ist Schillers 1786 veröffentlichte Erzählung […]
Der Lyriker und Dramatiker Albert Ostermaier hat die Schiller-Inspiration zu einem 160-Seiten langen Theatertext benutzt und mit 40 Figuren üppig besetzt […]
Neben Schillers Text benutzte er auch die Autobiografie des Bankräubers und Ausbrecherkönigs Jacques Mesrine und die französischen Gangsterfilme der 60er Jahren von Melville und anderen als Inspirati­onsquellen. Sein Held Loup Swan ist kein idealistisch-vergebungssüchtiger Räuberhauptmann, sondern ein eiskalter Engel, der lange um seinen Anteil an der Welt kämpft, später mit abgeklärter Distanz aufsein so unausweichlich missratenes. Leben zurückschaut. Ostermaier stellt ihn gleich zweimal auf die Bühne. Den jungen Loup zeigt er liebes- und lebensgierig zu Beginn, später abgewiesen, enttäuscht, die erkalteten Gefühle zur coolen Gangsterpose erstarrt. Der alte Ewan ist gebrochen vom Knast, argumentiert politisch gegen die Unmenschlichkeit der Isolationshaft. Die Szenen sind kurz und filmisch hart geschnitten, es gibt Rückblenden, Zeitsprünge, schnelle Wechsel der Schauplätze und eine Sprache, so sehnsuchtsschwarz wie eine regenkalte Nach.
Die Mannheimer Fassung kommt mit 13 Schauspielern und weniger als der Hälfte der Textmenge aus. Gespielt wird in der Raumbühne, die Spielfläche liegt als schiefe Ebene auf den üblichen Zuschauerrängen, die Besucher sitzen nun auf einer Tribüne gegenüber und blicken auf das Gesche­hen wie in einen Verhörraum (Bühne: Florian Etti). Das kalt und schräg einfallende Licht wirft lange Schlagschatten. Die Darsteller sind meist gleichzeitig auf der Bühne, was die szenischen Abläufe noch einmal beschleunigt. Kosminskis Inszenierung entwickelt eine suggestive Sogwirkung auf ihr unausweichliches Ende hin: eine Höllenfahrt ohne Hoffnung. Die Inszenierung ist spannend und dicht, das Ensemble spielt auf hohem Niveau, im Mittelpunkt Taner Sahintürk und Reinhard Mahlberg als junger und alter Loup Swan. Hannah von Peinen ist eine kühl ihre Gunst verteilende Jeanne. Ragna Pitoll die das Unheil verzweifelt ignorierende Mutter, Michael Fuchs zeigt den Nebenbuhler Robert als zynisch-glatten Fiesling. Ralf Dittrich den Schubart als in Würde zerknitterten Gangsterkumpel.

Die Rheinpfalz

 

„…Auf dem Weg zu eindringlichen Bildern ziehen Ostermaier und Kosminski allerdings mehr Register als sie müssten, öffnen eine Assoziationskiste nach der anderen. … Die „Schwarzen Minuten“ beginnen bürgerlich und enden als Staatsschelte, subtextlastig, collagenartig…Ostermaier und Kosminski gelingt keine allgemeingültige Parabel, sondern in der zweiten Hälfte des Stücks lediglich ein Panoptikum der Eindrücke.
Die allerdings wühlen im Hirn: Das Gefängnis etwa ist ein Sinnbild des feindlichen Staates, eine Stätte totaler Entmenschlichung, Swans Heimatviertel ein Ort ohne Ausweg. Auf Florian Ettis Bühne ist nichts Schönes, nichts Menschliches. Alles spielt in einer düsteren Welt, in der die Alten die Jungen nicht verstehen können und die Jungen die Alten nicht verstehen wollen. Swans Mutter, packend derbe gespielt von Ragna Pitoll, zerbricht daran. .."

Festivalzeitung

 

„…Zu Beginn seiner Erzählung schreibt Schiller, der Leser müsse entweder warm werden wie der Held, oder der Held erkalten wie der Leser. Kosminski setzt lieber auf einen allmählichen Temperaturanstieg, bis am Ende die Plädoyers hitzig in den Raum schallen. …“

nachtkritik.de

 

„…Mit Applaus und vereinzelten Bravo-Rufen ist am Freitagabend die Uraufführung des Dramas „Schwarze Minuten“ von Albert Ostermaier am Nationaltheater Mannheim aufgenommen worden. …“

Stuttgarter Zeitung