Henrik Ibsen

Baumeister Solness

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik:
Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie:
Reto Finger

Premiere: 29. Februar 2008

Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Fräulein Hilde Wangel : Isabelle Barth
Baumeister Halvard Solness : Edgar M. Böhlke
Frau Aline Solness : Gabriela Badura
Knut Brovik : Peter Rühring
Ragnar Brovik : Taner Sahintürk
Kaja Fosli : Silja von Kriegstein

 


Pressestimmen:


[…] An Ibsen wagt er sich […] das erste Mal. Und siehe da: Ausgerechnet mit den weitschweifigen Dialogen des patriarchalen Schwerenöters Solness mit dem kessen Fräulein Wangel gelingt ihm ein großer Wurf. Zum einen liegt das an der mit Reto Finger erstellten Strichfassung. Sie ergibt eine derart homogene Spielvorlage, dass die Inszenierung sich genau auf die Befindlichkeiten im großbürgerlichen Architekten-Loft fokussieren kann.
Florian Etti hat einen Design-Traum aus Stahl und Glas gebaut, worin es Aline Solness mit einem Mann zu tun hat, den es zu blutjungen Frauen zieht. Gabriela Badura macht aus der enttäuschten Gattin eine dunkel umflorte, sarkastische Frau, die der vagabundierenden Libido des Gatten mit spitzen Kommentaren beizukommen versucht. Dass auch die junge Buchhalterin Katja auf des Baumeisters Speiseplan steht, deutet Ibsen nur an, Kosminski akzentuiert es stark. Mit Silja von Kriegstein hat er ein Fräulein Foslo in Gestalt eines heutigen, zielstrebigen Mädchens, das hinter dem Rücken ihres Verlobten auf Tuchfühlung mit dem Mittfünfziger geht. […]

Süddeutsche Zeitung

 

 […] In Mannheim lassen der Regisseur Burkhard C. Kosminski und der Autor Reto Finger als Dramaturg eine stark (auf eineinhalb Stunden) gekürzte Fassung spielen, die trotz (oder gerade wegen?) der Reduktion, die sie an der Komplexität des Charakters von Solness vornimmt, überraschend schlüssig ist.
Dafür sorgt vor allem Edgar M. Böhlke in der Rolle des Baumeisters. Der Schauspieler, kurzes weißes Haar, markanter Schädel, elastischer Gang, jederzeit spürbare Körperspannung, ist in seinem direkten Zugriff auf unterschiedliche Stimmungslagen der Figur außerordentlich geistesgegenwärtig: Heftig erregt durch die Mädchen, körperlich durch Katja, nach neuem Leben gierend durch Hilde; knallhart in der Absage an den jungen Mitarbeiter und der Zurückweisung von dessen Vater (bemerkenswert anrührend: Peter Rühring); von bitterlicher Schärfe in der Beurteilung der eigenen Existenz Hilde gegenüber.[…] Weil Böhlke, der jede Situation souverän führt und bestimmt, alles Sentimentale und gar larmoyantes Selbstmitleid fremd ist, wirkt sein Solness sympathischer als die Figur bei Ibsen. Ein tüchtiger Zeitgenosse, widersprüchlich, aber ganz klar. […]

Frankfurter Rundschau


[…] Mit Ibsens „Baumeister Solness“ hat Burkhard C. Kosminski erstmals ein Stück des norwegischen Dramatikers inszeniert, und es ist ihm gleich ein großer Wurf gelungen. Vielleicht ist dies Kosminskis bislang beste Regiearbeit am Mannheimer Nationaltheater. Die Textfassung von Peter Zadeks legendärer Münchner „Solness“-Inszenierung von 1983, die Ibsens Werk in die Gegenwart holte, hat Kosminski noch einmal gekürzt. Das Stück wurde mit einem Ensemble auf die Bühne gebracht, das bis in die Nebenrollen hinein die Vieldeutigkeiten der Vorlage perfekt ausleuchtet. Ein großer Theaterabend. […]
Jede Szene eröffnet Einblicke in ein ganzes Leben. Sehr konzentriert und detailversessen ist diese Inszenierung bis in ihre Ränder, wunderbar stimmig das Gesamtbild, das daraus entsteht. […]

Die Rheinpfalz

 

„…Kosminskis Inszenierung stellt das Erinnern und das Eingeständnis der Szene nicht in Frage. Umso verstörender die Verschwörung, in der sich die beiden nun zusammenrotten. Auf keinen Fall sind es Opfer und Täter, die hier aufeinander treffen, sondern zwei ebenbürtige…ja was: Gegner?
Die Untiefen dieses Beziehungsstrudels werden in einem Bühnenbild ausgelotet (Florian Etti), das luzider und klarer kaum sein könnte. Es besteht aus einem Glaskubus  der klassischen Moderne, ein Architektenhaus, wie es im Buche steht. Dieses Haus ist nach allen Seiten und in sich offen, hier geschieht nichts im Verborgenen, jeder weiß, was gespielt wird. Umso dunkler das Unaisgesprochene, umso perfider, dass alle Beteiligten die Oberfläche glatt zu halten suchen. Konsequenterweise brechen auch die Szenen abrupt mitten im Dialog ab, wenn mal wieder eine Frage im Raum hängt, die nicht beantwortet werden darf. Entstanden ist so eine anderthalb Stunden kurze, fast rudimentäre, aber umso eindrucksvollere Solness-Version, die sich entsprechend der Missbrauchs-Annahme auf eine knappe Argumentation in dieser Richtung beschränkt. Die Inszenierung ist leicht im Ton, sie vermeidet das Bedeutungsschwangere, das Ibsen-Inszenierungen oft anhaftet.
Das verdankt sie auch ihren Schauspielern. So wird in den Szenen zwischen Edgar M. Böhlke als Solness und Gabriela Badura als Aline ganz unaufdringlich klar, dass nach einer langen Beziehung man sich auch an die großen Lebenslügen gewöhnt und sich in ihnen einrichten kann. Sie werden Normalität – und das ist, wie die Inszenierung deutlich macht, der echte Wahnsinn. Die Schuld übrigens, die Hilde von Solness einfordert, ist nichts weniger als ein Königreich – zumindest aber, dass er noch einmal auf den Turm steigt. Der unter Höhenangst leidende Solness nimmt die Herausforderung an – noch mal steigen, noch mal sich selbst erhöhen, noch mal alles möglich machen – und fällt. Die Reaktion von Hilde und Aline bleiben im Dunkeln, der Eiserne Vorhang ist schneller. Weniger als der Eiserne tut es nicht, um solche Abgründe zu verdecken. …“


Scala2015

 

„…Für Burkhard C. Kosminski, der Ibsens 1892 uraufgeführtes Alterswerk in der Gegenwart spielen lässt, kann dies nur bedeuten, dass tatsächlich ein Fall von Kindesmissbrauch der Auslöser für die Rückkehr der jungen Frau gewesen sein muss. Die vor allem schauspielerisch hervorragende, auf neunzig Minuten begrenzte Inszenierung des Mannheimer Schauspieldirektors, der den Part des Hausarztes gänzlich gestrichen hat, macht damit etwas zur eindeutigen Situation, was im Stück eher einem spirituellen Bereich zugeordnet wird. …"

Rhein-Neckar-Zeitung