Rafael Spregelburd

Die Sturheit

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik:
Hans Platzgumer
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie: Jens Groß

Uraufführung:
2. Mai 2008, Kleines Haus, schauspielfrankfurt
9.Mai 2008, Schauspielhaus, Nationaltheater Mannheim

Besetzung:
Jaume Planc: Sebastian Schindegger
Joan Pere Tornero i Sanchis, Pater Francisco de Borja,
Roderic Aribau, Urmensch1, ein Briefträger: Reinhard Mahlberg
         Dmitri, Antoni Llinás, Carlos Riera,
John Parson, Urmensch 2: Tim Egloff
Alfonsa, Núria: Anita Iselin
Fermina, Natalie, Magda de Aribau: Isabelle Barth

 


Pressestimmen:

Die Sturheit – Rafael Spregelburds menschliche Komödie von Burkhard C. Kosminski uraufgeführt -
Alte Wahrheiten, neue Koalitionen 
Frankfurt, 2.Mai 2008.
Natürlich gibt es einen Vorhang. Er ist rot und samtig, er schiebt sich vor dem ersten Akt beiseite, er zieht sich zur Umbaupause für den zweiten Akt zu, er schließt sich zur Pause. Dahinter liegen Räume, die aus Kulissen zusammenschustert sind, aus ungleichen Glasscheiben und spärlichen Möbeln, mit einigen Türen und Vorhängen ausgestattet. Hier kann es stattfinden, das Theater. 
Zunächst ist dieser Theaterabend selbst numerisch gegliedert, und das mit gebotener Strenge: Fünf Schauspieler spielen 16 Rollen. Das Spiel vollzieht sich in Echtzeit, und das gleich drei Mal: Drei Mal vergeht die Stunde von 17 Uhr bis 18:15 Uhr, jede Wiederholung ist ein Akt. Aber bei der formalen Präzision bleibt der argentinische Autor Rafael Spregelburd nicht stehen, sie sind allemal die Grundlage für "Die Sturheit".
Eines Tages im März 1939 
Ein außerordentlich kluges Stück Theater, gut gebaut, mit ausnahmslos schrulligen Figuren und pointierten Dialogen. Es entstand als Auftragswerk des Festivals "Frankfurter Positionen", uraufgeführt wurde es nun von Burkhard C. Kosminski im Schauspiel Frankfurt. Es erzählt eine Stunde eines Tages im März 1939, der Spanische Bürgerkrieg ist fast vorüber. In einem Haus im Vorort von València treffen 16 Gestalten aufeinander, verschiedene Interessen verfolgend und flüchtige Bündnisse miteinander eingehend. Ständig sind sie damit beschäftigt, ihre Identität zu konstruieren, die sich im nächsten Moment als Trugbild herausstellt – und darum schon wieder wahr sein könnte. Wie heißt es im Stück einmal? "Man sucht das Richtige, und währenddessen findet man andere Dinge."
Dieses Verwechslungsspiel, die Ablenkung und eine sehr moderne Verunsicherung der Grundfesten sind – trotz oder wegen aller Bibelzitate – Motor des Abends. Politisches und Privates wird über Kreuz gesponnen, darunter dräuen Babylon, die Zehn Gebote, das Begehren seines Nächsten Gutes, und die nicht geringe Frage danach, was ein Gut überhaupt darstellt: Kapital oder Idee? Gegenwart oder Zukunft? Die Reise zum Mond oder das Erleben des nächsten Tages? Hausherr ist Jaume Planc, Kommissar bei der valencianischen Polizei. Anstelle in der Kriegswirrnis einen Rest von Ordnung herzustellen, bastelt er an einer Maschine, die den alten Menschheitstraum einer universale Sprache verwirklichen soll.
Ausgeburten einer Fiebernden
Sebastian Schindegger nimmt den humanistisch angehauchten Despoten von der körperlich-komischen Seite. Manisch hetzt er über die karge Bühne und bleckt enthusiastisch die Zähne, springt rücklings auf Bänke und macht Kniefälle. Bei der Entwicklung seines ganz eigenen Esperantos hilft ihm seine Tochter Alfonsa (Anita Iselin), die im Fieber deriliert und einen direkten Draht zu Gott hat, der ihr die Worte in den Mund legt. Jene Sprache, die Vater und Tochter entwickeln, wird zur Metapher: Basiert "Katak" als Sprachwerdung einer humanistischen Idee doch auf grober Vereinfachung, und also, wie der russische Übersetzer Dmitri anmerkt, nur auf dem, was Planc kennt. Und letztlich nicht einmal das: Letztlich sind es nur die Ausgeburten einer Fiebernden, aus der nicht Gott spricht, sondern die Last einer lebenslangen Schuld.
Zugleich fällt Planc eine Liste in die Hände, auf der die Namen angeblicher Rotgardisten und Anarchisten stehen, die einen Hof geplündert haben sollen. Die Liste wird zum zweiten Objekt der Begierde, um das das Verwechslungsspiel seinen Lauf nimmt. Präzise hat Spregelburd die drei Räume zur gleichen Stunde konzipiert, und so entwirrt sich während der drei Akte das Verhältnis der Akteure, eröffnen sich neue Koalitionen und alte Wahrheiten. Kosminski macht aus dem türenschlagenden Metatheater eine kurzweilige Burleske mit ungeheurem Tempo: Sprechgeschwindigkeit, Rollen- und Szenenwechsel sind rapide.
Die Halbwertzeit politischer Ideen 
Was geht, wird verdoppelt: Reinhard Mahlberg zeichnet als Roderic Aribau jedes Wort mit einer Geste nach, erhebt als Pater Francisco permanent flehend die Hände zum Himmel über seinem rotwangigen Gesicht, hängt als Schriftsteller Sanchis wie ein weintrunkener Mehlsack in der Ecke. Auch Tim Egloff als internationales Kommando ist hinreißend – er spielt unter anderem den Russen Dmitri und den britischen Brigadisten John. Zwischendurch flattert mit luftiger Leichtigkeit Isabelle Barth als französisches Dienstmädchen, erste Ehefrau oder zweite Tochter durchs Bild. Bei aller Heiterkeit findet diese Versammlung keinen Frieden. Mit rotem Samt, doppeltem Spiel und allem erzählt "Die Sturheit" höchst plausibel von der Halbwertszeit politischer Ideen und persönlicher Lebenskonzepte.

www.nachtkritik.de

 

„..Spregelburd, der darauf beharrt, dass es schnelle Boulevardstücke sind, die er schreibt, hat mit „Die Sturheit“ endgültig das Genre des philosophischen Slapsticks etabliert, wo die Brüchigkeit und Konstruiertheit dessen, was wir Realität nennen, nicht nur behaupten, sondern sichtbar wird. Indem immer wieder neue Blickpunkte ins Spiel kommen, wird spürbar, wie die Wirklichkeit aus dem tiefen Schlund des Inneren eines jeden einzelnen hervorkommt. Jeder ist hier ein ungekehrtes Schwarzes Loch. Wo da welcher Zettel verschwindet und wieder hervorkommt, wei0 nur die Suppenschüssel, in der sie zeitweilig alle stecken.
„Die Sturheit“ ist ein Stück, das allein schon wegen seiner Komplexität extrem schwer zu inszenieren ist, Kosminski hat es mit fünf bestens aufgelegten Schauspielern, die insgesamt 20 Rollen spielen, typengenau, mehr als flott, passgenau, aufgekratzt komisch und genregerecht umgesetzt. Trotzdem besteht für andere Theater eine schöne Herausforderung: Es sind nicht genügend Schwarze Löcher im Text, aus denen dieses Stück hervorkommt und in denen es wieder verschwindet…“

Frankfurter Rundschau

 

„…Im Schauspiel Frankfurt hockt Isabelle Barth unter Natalies Hausmädchenhäubchen am Ende auf einem Stuhl, liest aus der Regieanweisung vor, und erst nachdem sie wiederholt hat, dass nun das Licht sehr langsam dunkler zu werden habe, geht es endlich aus. Ein Gag des Gastregisseurs Burkhard C. Kosminski, der nicht verpufft zwischen den provisorisch zusammengezimmerten Glas-, Holz-, und Tafelwänden auf Florian Ettis Bühne – denn Spregelburd spielt in seinen Stücken mit Verfremdungseffekten und dem Provisorischen, wenn seine Schauspieler gleich in mehrere Rollen schlüpfen müssen. …“
„…Spregelburds Rollenschlagabtausch, in Frankfurt logistisch brilliant verwirklicht, ist für die Akteure ein Fest – und sie feiern mit Lust: Reinhard Mahlberg ist als Priester ein Wolf im Schafspelz, der die vermeintlich kranke Alfonsa mit Drogen abfüllt, um sie besser befingern zu können, hat Geistesblitze auch als alkoholselig nölender Dandy-Poet Sanchis, um kurz darauf als kleinmütiger Gutsbesitzer Aribau hereinzustelzen, der sein Geplapper mit aberwitziger Gebärdensprache untermauert. Anita Iselin wechselt unterdessen mühelos zwischen der „kranken“ Alfonsa im Nachthemd, drogenwirr bis geistig klar, und Plancs zweiter Ehefrau Núria, der verschubsten Biederfrau im Schwarzen, die auch einen Galan hat: Tim Egloff, der außerdem noch den Sowjetagenten Dimitri radebrecht und den englischen Interbrigadisten Parson raunzt. Allein Sebastian Schindegger spielt hier nur eine Rolle und geht als leicht entzündbarer Polizeichef Planc die Wände hoch.
Die gordischen Handlungsknoten, die Rafael Spregelburd knüpft, sind ungemein amüsant. …“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

„…Dass sich keiner an diesem Bündel verhebt, ist auch der Leichtigkeit zu verdanken, mit der Burkhard C. Kosminski das Stück inszeniert. Gleich dreimal wird das Geschehen der Stunde zwischen 17 Uhr und 18.15 Uhr erzählt, aber in drei Räumen – ein präzise komponiertes Zusammenspiel, in dem sich während der drei Akte neue Koalitionen und alte Wahrheiten auftun. …“

Stuttgarter Nachrichten

 

„…Das Theater enttarnt sich permanent als Theater. Es scheint, als habe Kosminski mit Bühnenbildner Florian Etti und Kostümbildnerin Ute Lindenberg noch dezent eine weitere Ebene inszeniert, die nicht in das Stück eingeschrieben ist – nämlich dass da eine Truppe auf einer Probebühne und in Probekostümen das Stück durchspielt. Anachronismen in Requisiten und Kostümen, sowie schlechte Perücken sind Programm. Sebastian Schindegger, der als einziger „nur“ eine Rolle (Jaume Planc) spielt, Reinhard Mahlberg, Tim Egloff, Anita Iselin und Isabelle Barth wirbeln virtuos durch die Rollen. Stöhnen laut auf, empören sich mit Gesten, sinken einander seifenoperreif in die Arme, schwelgen in Klischees, hüpfen, tänzeln, schleichen, straucheln. Dabei spulen sie die Texte ab, als wären es Sprachcomputer. Tonfall und Pointen selbstverständlich perfekt programmiert. Das ist sehr komisch. ..“
„…Selten waren drei Stunden so kurzweilig. …“

FNP

 

„…Burkhard C. Kosminski inszeniert das in Koproduktion mit dem Nationaltheater Mannheim temporeich wie turbulent. Bei manchem Kuss grüßt die Telenovela. Das Theater outet sich als solches, wozu Florian Ettis an eine Probebühne erinnernde Kulisse beiträgt. Requisiten, Kostüme und Perücken sind ausgesucht unausgesucht. Von psychologisch fein ziselierten Charakteren ist die Inszenierung weit entfernt wie die Welt von einer optimalen Sprache. Aber das bewusst und virtuos!...“
„…Drei kurzweilige Stunden. …“

Offenbach Post

 

„..die rasante Regie von Burkhard C. Kosminski jagt die Akteure mit sagenhaftem Tempo in immer neue aberwitzige Verstrickung, regt zum Lachen an wie bester Boulevard. …“
„…Ein Abend, der begeistert. …“

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