Kathrin Röggla

wir schlafen nicht

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Gerhard Benz
Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Musik: Simon Stockhausen
Dramaturgie: Ingoh Brux

Uraufführung am 7. 4. 2004 im
Düsseldorfer Schauspielhaus

Besetzung:
Andrea Bülow, ehemalige TV-Redakteurin,
jetzt Online-Redakteurin: Claudia Kaske
Nicole Damaschke, Praktikantin: Catherine Janke
Silke Mertens, Key Account Managerin: Andrea Bürgin
Sven Prattner, nein, nicht IT-Supporter: Tim Egloff
Oliver Hannes Bender, Senior associate: Steffen Schroeder
Herr Gehringer, Partner: Klaus Rodewald

 


Pressestimmen:

„…In der Regie von Burkhard C. Kosminski verfallen sie in Sprechgesang, trommeln ihre Nervosität auf alle möglichen Gegenstände, bevor sie wieder in konzentrierte Atemübung verfallen – contra Stress, pro Gruppenmotivation. Über sich sprechen sie nur im Konjunktiv und in der dritten Person, Ausdruck größtmöglicher Entfremdung. Gesprochen funktioniert diese Kunstsprache auf der Bühne – dank der famosen Schauspieler – erstaunlich gut. Die Figuren reden lieber über sich als miteinander, die Kommunikationsprofis scheitern im Zwiegespräch. …“
„…Kosminski schafft dem manchmal etwas sperrigen Text Transparenz, indem er ihn geschickt szenisch einbettet und Bodenhaftung verleiht. Zu Recht Jubel für Darsteller, Regisseur und Autorin. …“

Westdeutsche Zeitung

 

„…Rögglas Frage, was Wachstumslogik und Effizienzrhetorik aus den Vorbetern machen – bei ihr werden sie zu zombiehaften Funktionsmaschinen, was eher unoriginell ist – interessiert Regisseur Burkhard C. Kosminski weniger. Vom Messe-Stand in Rögglas Stück aus macht er sich auf als Evolutionsforscher in den unbekannten Kontinent der Business-Welt. Und siehe: Die scheinbar so neuen Soziotope sind im Kern uralte.
Der sumpfig blubbernde, mal schlangenhaft zischelnde, mal schnatternde und zirpende Soundtrack von Simon Stockhausen verlegt die Raubtiere des Kapitalismus akustisch ins Primaten- und Papageienhaus. Und die Bühne von Gerhard Benz schaut aus, als hätte er die amerikanische Dschungelserie „Surviver“ gekreuzt mit ihrer urbanen Version, Trumps TV-„Hölle des Kapitals“: zu einem halb archaischen, halb futuristischen Hybriden aus Menschenpark und Wirtschaftsraumschiff Enterprise. Dieser dient als Trainingscamp, Kriegsfreiwilligenlager und Spielplatzkulisse für die Cracks aus der Führungsetage. Angestrengt heitere Höhlenmenschen in den „Sex and the City“- Kostümen von Sabine Blickenstorfer. Sie lümmeln auf einem Kletterfelsen und labern in einer modernistischen Wohlfühlhölle, einem dynamisch-flexiblen Ufo-Wigwam mit integrierter Dachrutsche. Wenn das lustige Tipi umkippt, wird es zum Panzer. Und man gerät leicht auf die abschüssige Bahn der Kinderrutsche.
Zwar picken die Chefs Sushi vom Nabel der Praktikantin, die launigen Motivationsrituale ähneln aber verdächtig den Beschwörungsformeln von Wilden: rauschhafte Trommel-Kommunikation, alberne Kriegstänze: Die Entscheider über die Zukunftsgesellschaft, getrieben von Urinstinkten, Und immer wieder scheinen die den großen Unbekannten zu wittern.
Die Inszenierung ist ein Höhlengleichnis, als hätte Platon den Bau entworfen, darin, im unterirdischen Gefängnis ihrer Irrtümer, „die seltsam Gefesselten immer nur geradeaus schauen können“. Gezwungen, den Kopf, das Denken, „unbeweglich zu halten, sehen sie nur Schatten, Ideen, die sie aber für die Wirklichkeit halten“. Oben am Projektionsfenster gibt es auch Platons „Weg und kleine Mauer, über die hinweg Gaukler ihre Zaubertricks zeigen“. Platons Illusionist ist hier „der Partner“, der Topmanager der neoliberalen Horde (zartgrotesk in seiner Undurchsichtigkeit: Klaus Rodewald). Einer seiner Tricks: Aus dem Aktenkoffer lässt er papierene Kampfflieger-Sprungschirmchen flattern. Harmlos wie Pusteblumensegler. Eine freundliche Aufforderung zum Kampf….“

Süddeutsche Zeitung

 

Düsseldorfs Oberspielleiter Burkhard C. Kosminski hat das Stück aus seinem sozialen Umfeld gelöst. Kein Nobelbüro ist auf der Bühne zu sehen, sondern ein Kletterfelsen, hinter dem die Köpfe der Berater oft im Rhythmus der Sprachpartitur hervor schießen. Daneben liegt eine Skulptur, die wie ein umgekippter Lampenschirm aussieht. An ihr führt eine Mischung aus Treppe und Rutsche nach oben. Hinten gibt es die unvermeidlichen Videoprojektionen. Heiter und verspielt geht es in der Düsseldorfer Uraufführung zu. Der Druck, die Arbeitshysterie, der Wahnsinn werden nur zart angedeutet.

Frankfurter Rundschau

 

„Schöne neue Arbeitswelt“
Beeindruckend – Kathrin Rögglas „Wir schlafen nicht“ in Düsseldorf
Sie haben auch Namen, heißen Silke und Nicole, Andrea, Swen und Oliver. Doch eigentlich sind sie längst hinter ihren Funktionen verschwunden. Als „Key“ und „Online“, als „IT“, „Senior“ oder „Partner“. Eingebunden in eine Arbeitswelt, die sie auffrisst und entpersonalisiert. Kein Wunder, dass sie fast nur noch in indirekter Rede von sich sprechen, als redeten sie von Fremden. Sechs Personen suchten einen Autor und fanden Kathrin Röggla.
Die 32jährige gebürtige Salzburgerin, seit ihrem Studium der Publizistik und Germanistik in Berlin zu Hause, erweist sich nicht erst seit der Uraufführung ihres neuesten Stücks „Wir schlafen nicht“ im kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiel als ungewöhnlich neue Bühnen-Stimme. Man hört gespannt hin, vernimmt Töne von sprachlich erstaunlicher Konsequenz und verfällt in alles andere als in Schlaf. Und da Burkhard C. Kosminskis Inszenierung das spröde Stück über die Arbeitswelt der Berater, Consulter und McKinsey-Apologeten zudem bestens strukturiert und der Kühle des Sprechduktus sogar einige humoristische Fäden einzieht, ist eine stilsichere Uraufführung das Ergebnis (Kosminski ist einer der drei Juroren des bevorstehenden Heidelberger Stückemarkts).
Kathrin Röggla hat in stundenlangen Interviews mit Insidern der Consulter-Welt eine Text-Performance gefiltert, die in ihren besten Szenen auf ebenso distanzierte wie verkünstelte Weise eine Arbeitswelt abseits aller Natürlichkeit entstehen lässt. Von einer Handlung zu reden, verbietet sich. Allenfalls Strukturen durchziehen den Text, der entpersonalisierte Charaktere nicht selten ins Groteske treibt. Das ist ohne jede Larmoyanz und lässt die Berufs-Rhetorik zur Kunstsprache gerinnen.
Wer von Beginn an nun eine überdrehte Arbeitszene erwartet, der traute zunächst seinen Ohren nicht. Kein Computer, kein Büro, kein Handy, nichts dergleichen. Stattdessen Geräusche wie aus dem Urwald. Ein Rest dieser Atmosphäre bleibt später auch bildlich erhalten: Rechts türmt sich eine Art Affenfelsen mit Höhlen und Klippen auf. Er wirkt wie ein Bild verlorener Natur. Daneben, auf aseptisch weißem Grund, ein zeltartiges Gebilde, das sich zum Messestand mit Sitzfellen kippen und öffnen lässt, mit einer Leiter, die sich schon mal zu einem Sprungbrett ins Nichts verwandelt oder zu einem begehbaren Bild mit ovalem Muster an der Rückwand führt, über das Videos flimmern (Bühne: Gerhard Benz).
In dieser Welt ziehen die Sechs ihre berufsrhetorischen Bahnen. Eine Messe hat sie zusammengeführt, ein Ort des Austausches für tolle Typen, die sich leisten, was sie sich eigentlich nicht leisten können: Dauer-Effizienz – und Anpassung an alles und jedes Entspannungsszenen binden die sich selbst entfremdeten Personen für kurze Zeit zusammen. Wenn sie dann, in einem gemeinsamen Rhythmus aus Klopfen, Schlagen oder Hämmern, ihre Effizienz besingen, aber auch den Anpassungsdruck spüren lassen, bekommen die rhythmisch betonten Texte der Autorin dank Kosminskis erfinderischer Regie ein „Gesicht“.
Dass die, die sich für Entscheider und Vorreiter halten, in Wirklichkeit Getriebene und Nachläufer sind, wird dabei auf ganz unaufdringliche Weise erkenntlich. Denn ehe sie sich versehen, sind sie überflüssig geworden und ausgebrannt. Da erkennt sogar der „senior“, dass „immer nur Power, Power, Power auch nicht zum Erfolg führen wird“. Viele Bravos für ein blendend aufgelegtes Ensemble (Andrea Bürgin, Catherine Janke, Claudia Kaske, Tim Egloff, Steffen Schroeder, Klaus Rodewald), die Regie – und eine sichtbar zufriedene Autorin. …“

Rhein-Neckar-Zeitung

 

„…90 Minuten gibt Regisseur Burkhard C. Kosminski den zwanghaften Schlafverweigerer, die er in einer pfiffigen Kreuzung aus Biotop und designtem Spielplatz (Bühne: Gerhard Benz) aussetzt. Rechts ein archaischer Affenfelsen, auf den sich die Key (Account Managerin), der IT (-Supporter), der Senior (Associate), der Partner, die Online (-Redakteurin) und die Praktikantin in Angst  - und Überlastungsmimenten flüchten. Links eine wunderbar absurde Mutation aus dem Dasein im Design: halb (Karriere)-Leiter, halb Sprungbrett, umspannt von einer Art riesigen Tütenlampe, unter deren Schirm zwei Fellsofas zum Quick-Talk über so eben noch lebbare Fernbeziehungen bitten.
Kosminski nippt ironisch an vielen modischen Attitüden einer Branche, in der selbst das Handy um Anerkennung kämpft, vereint die Stress-Süchtigen zur mitreißenden Ess-Stäbchen-Percussion, zitiert die Meditation als Instant-Om und schafft es, der Steife des Röggla-Textes Beine zu machen.
Mal schnüffelt die Entscheider-Meute als sei sie von Instinkten getrieben, pickt Körner wie das Federvieh einer Legebatterie, mal hetzt sie das Krisengespenst über die Bühne, dann karikiert sie verspielt die Künstlichkeit ihrer Existenz mit Froschquaken, Zirpen und Vogelzwitschern.
„Wir schlafen nicht“ – die im Titel steckende Doppeldeutigkeit von trotziger Selbstbehauptung und zukünftiger Bedrohung macht Burkhard C. Kosminski griffig. Mit herzlichem Applaus bedankte sich das Uraufführungs-Publikum.
… „

Neue Rhein Zeitung

 

„… Am Schluss viel Beifall für Andrea Bürgin, Katherine Janke, Claudia Kaske, Tim Egloff, Steffen Schroeder und Klaus Rodewald, die unter der Regie von Burkhard C. Kosminski spielten.
„Wir schlafen nicht“ – sehenswert!

BILD Zeitung